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Le Bon täglich (8) |
Geschrieben von dottore am 25. Juli 2000 09:52:24 "Die Massen kennen nur einfache und übertriebene Gefühle. Meinungen, Ideen, Glaubenssätze, die man ihnen einflößt, werden daher nur in Bausch und Bogen von ihnen angenommen oder verworfen und als unbedingte Wahrheiten oder ebenso unbedingte Irrtümer betrachtet." (Le Bon führt dazu natürlich die Glaubensauseinandersetzungen an; wir können es aber auch ins Anlegerverhalten ziehen: ich habe in meinem Bekanntenkreis z.B. zwei absolut feindliche Lage, die einen sehen nur in der Immobilie ihr Heil, die anderen in Finanztiteln. Dabei ist die Immobilien-Masse nicht mal bereit, Immobilienaktien oder auch nur Immo-Fonds zu akzeptieren, die Finanztitel-Masse geht umgekehrt auch nie in REITs, Fannie Mae oder anderes, was mit Immos zusammhängen könnte. Und dass sich die Massen der Funtamental-Bullen bzw. -Bären unversöhnlich gegenüber stehen, erfahren wir nun jeden Tag). "Da die Masse in das, was sie für Wahrheit oder Irrtum hält, keinen Zweifel setzt, andererseits ein klares Bewußtsein ihrer Kraft besitzt, so ist sie ebenso eigenmächtig wie unduldsam. Der einzelne kann Widerspruch und Auseinandersetzung anerkennen, die Masse duldet sie niemals." (Gottseidank, damit wäre zumindest bewiesen, dass dieses Board hier keine Masse ist, wie vorhin schon beim de la Vega/Le Bon Posting vermutet. Hier herrschen Widerspruch und Auseinandersetzung). "Die Massen erkennen die Macht an und werden durch Güte, die sie leicht für eine Art Schwäche halten, nur mäßig beeinflusst. Niemals galten ihre Sympathien den gütigen Herren, sondern den Tyrannen, von denen sie kraftvoll beherrscht wurden. Ihnen haben sie stets die größten Denkmäler errichtet. Wenn sie den gestürzten Despoten gern mit Füßen treten, so geschieht das, weil er seine Macht eingebüßt hat und in die Reihe der Schwachen eingereiht wird, die man verachtet und nicht fürchtet." (Speziell ein Phänomen der politischen Geschichte, von Napoleon über Bismarck bis Helmut Kohl. Aber wir finden es auch in Sachen Börse. Der Peter-Lynch-Kult, der Warren-Buffett-Kult, der Martin-Ebner-Kult, der John-Templeton-Kult, die gestürzten Soros, Robertson, oder früher: die gestürzten Billy Salomon, Gutfreund, Henry Kaufmann, usw., usw. Die UBS hatte mal als sie noch die SBG war einen Tyrannen als CEO namens Schäfer; nachdem er endlich abgetreten war, begegnete ich ihm auf einem großen Empfang. Schäfer - eben noch der mächtigste Banker der Schweiz - stand völlig unbeachtet in einer Ecke. Er hat mir richtig leid getan). "Ist die Haltung der Obrigkeit schwankend, so wendet sich die Masse, die stets ihren äußeren Gefühlen folgt, abwechselnd von der Anarchie zur Sklaverei, von der Sklaverei zur Anarchie." (SEHR WICHTIG! Ich bitte statt "Obrigkeit" das Wort "Greenspan" zu setzen. Seit letzter Woche scheint er vom klassischen Sklavenhalter mit der neunschwänzigen Zinspeitsche in der Hand, obendrein unberechenbar, zum schwankenden "Na-ich-weiß-auch-nicht-so-genau"-Typus geworden zu sein. Wird das die Masse der Anleger bemerken, was über kurz oder lang geschieht, ist der Anarchie Tür und Tor geöffnet, sprich an den Börsen zieht Panik ein). Morgen: Wie kommen die Ideen zu den Massen und umgekehrt. |