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Gustave Le Bon - ab jetzt täglich! - dottore am 16.7.2000 14:11

Liebe Freunde, Feinde, Freaks!

In Frankreich lebte 1841 bis 1931 ein Arzt namens Gustave Le Bon. Er war zunächst Praktiker, u.a. Chef eines Lazaretts im deutsch-französischen Krieg 1870. Danach widmete er sich allgemein anthropologischen Studien und publizierte einen Haufen mehr oder minder guter und bis heute lesenswerter Bücher.

Sein Hauptwerk erschien 1895. Titel: "Pschychologie des foules" (Psychologie der Massen). Es erlebte zahlreiche Auflagen und Übersetzungen, ist aber inzwischen weitgehend der Vergessenheit anheim gefallen. Im ZVAB habe ich noch gerade mal sechs Exx. seines Hauptwerks gefunden (zumeist das Kröner-Bändchen, Preise zwischen 20 und 40 DM). Neuauflage nicht in Sicht.

Da dieses Board letztlich nichts anderes versucht als von allen Seiten her das Problem der "Massenpsychologie" einzukreisen und vielleicht irgendwann - jedenfalls bezogen auf die Börsen - zu lösen, und da Le Bon als Entdecker dieses Phänomens gilt, möchte ich dem Board die wichtigsten seiner Erkentnnisse nicht vorenthalten. (Le Bon wird auch in dem Buch, das JüKü und ich gemeinsam vorbereiten, eine große Rolle spielen).

Also ab heute bis auf weiteres von mir "Le Bon täglich". Es werden - keine Angst! - nicht Giga-Postings, sondern immer nur kleine, verdauliche und erbauliche Häppchen, gegebenenfalls mit kleinem Kommentar von mir dazu.

Natürlich ist seit Le Bons großem Hit die Zeit nicht stehen geblieben. Ich glaube aber sie verlief eher in der Richtung seiner Analysen als woanders hin.

Die Zitate werden gelegentlich minimal verändert, um sie - bezogen auf die Jetztzeit - verständlicher zu machen. Ich gehe bei "Le Bon täglich" so vor wie der Autor selbst. Es fängt also etwas langsam an, schweift auch manchmal ab, aber ich verspreche: Jeder wird auf seine Kosten kommen.

Monsieur, Sie haben das Wort (meine Interpretationen jeweils in Klammern):

"Die großen Erschütterungen, welche den Kulturwenden vorangehen, scheinen auf den ersten Blick (!) durch bedeutsame politische Veränderungen bestimmt zu sein... (heute sog. "Fundamentals", z.B. in Steuer-, Geld- und Zinspolitik)... Eine aufmerksame Untersuchung dieser Ereignisse enthüllt jedoch hinter ihren scheinbaren Ursachen als wahre Ursache eine tiefgehende Veränderung in den Anschauungen der Völker ... Die einzigen Veränderungen von Bedeutung ... vollziehen sich innerhalb der Anschauungen, der Begriffe und des Glaubens... (ich darf dazu nur erwähnen: Die weit verbreitete Anschauung, es müsse immer weiter aufwärts gehen, Brainwash-Begriffe wie "Geldmenge" oder als Glaube: Der Staat hat immer alles im Griff, kann die Wirtschaft jederzeit neu ankurbeln, Aktien sind langfristig die beste "Geldanlage" usw.) ... Die bemerkenswerten Ereignisse der Geschichte sind die sichtbaren (!) Wirkungen der unsichtbaren (!) Veränderungen des menschlichen Denkens."

"Während alle unsre alten Anschauungen schwanken und verschwinden und die alten Gesellschaftsstützen eine nach der anderen einstürzen, ist die Macht der Massen die einzige Kraft, die durch nichts bedroht wird und deren Ansehen immer mehr wächst..." (siehe Einschaltquoten, der Aktien"spar"gedanke usw.)

"Je weniger die Masse vernünftiger Überlegung fähig ist, um so mehr ist sie zur Tat geneigt. Die Organsisation hat ihre Kraft ins Ungeheure gesteigert... Die Massen wollen heute die Götter nicht mehr, die ihre ehemaligen Herren gestern noch verleugneten und zerstören halfen. Die Flüsse fließen nicht zu ihren Quellen zurück... Vielleicht bedeutet der Aufstieg der Massen eine der letzten Etappen der Kulturen des Abendlandes ... Die Massen haben nur Kraft zur Zerstörung. Ihre Herrschaft bedeutet stest eine Stufe der Auflösung ... Vermöge ihrer nur zerstörerischen Macht wirken sie gleich jenen Mikroben, welche die Auflösung geschwächter Körper oder Leichen beschleunigen. Ist das Gebäude einer Kultur morsch geworden, so führen die Massen seinen Zusammenbruch herbei... Zweifellos gibt es verbrecherische Massen, aber es gibt auch tugendhafte, heroische und noch viele andersartige Massen." (Ich zähle dazu auch Haussiers und Baissiers).

"Die Massenpsychologie zeigt, wie außerordentlich wenig Einfluss Gesetze und Einrichtungen auf die ursprüngliche Natur der Massen haben und wie unfähig diese sind, Meinungen zu haben, außer jenen, die ihnen eingeflößt wurden; Regeln, welche auf rein begrifflichem Ermessen beruhen, vermögen sie nicht zu leisten. Nur die Eindrücke, die man in ihre Seelen pflanzt, können sie verführen."

Le Bon führt als Beleg für den letzten Satz den Unterschied zwischen indirekter und direkter Steuer an, wobei wir wieder in der Gegenwart wären: MWSt. hat sich seit 1970 um 60 % (!!!) erhöht, ohne dass es zum allgemeinen Umsturz gekommen wäre, während die ESt.-Sätze im wesentlichen gleich geblieben sind und das Ballyhoo um die "Steuerreform" haben wir ja gerade erst erlebt).

MORGEN MEHR!

Und dranbleiben, denn es lohnt sich wirklich! Für Elliott-Interessierte wird's eh ein Hochgenuss.

d.