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Re: Ja, alles quicklebendig

Geschrieben von dottore am 19. März 2006 16:43:49


Als Antwort auf: Die Börse/das Zinssystem ist tot, sie sind nicht produktiv, . . . geschrieben von thoughtful am 18. März 2006 17:25:03

Hi thoughtful,

zu diesem Satz noch etwas weiter ausholend, so gestattet:

„Es kann nur das verteilt werden, was vorher real produziert wurde“

ist zunächst anzumerken, dass im ersten Teil ein „real“ fehlt. Es kann in der Tat nur das real verteilt werden, was vorher real produziert wurde. Etwas „Irreales“ (Nicht-Existentes) kann nicht verteilt werden, da es nicht existiert.

Nun kann man durchaus fragen, was die Verteilung beeinflusst. Dabei ist zunächst die Frage nach dem was zu stellen.

Fall 1: Das „Was“ ist ein einziges Produkt (zu Fall 2 siehe bitte weiter unten). Das stellen alle her.

1.1 Stellen es alle in dem Umfang (Menge) her, den (die) sie selbst benötigen, dann erübrigt sich eine Verteilung nach der Produktion.

1.2 Stellen es einige nicht in dem Umfang her, den sie benötigen, kann es zu diesem kommen:

1.21 Die es benötigen, aber nicht produzieren, gehen unter.

1.22 Die es produzieren, sind freiwillig bereit, es mit den anderen zu teilen („Solidargemeinschaft“). Möglich dabei:

1.221 Alle teilen sich in das in gleicher Menge wie bisher von einigen Produzierte und alle haben weniger als wenn es alle produziert hätten.

1.222 Die Produzenten (einige) produzieren mehr als sie bisher produziert hatten und dies in dem Umfang, dass sowohl sie als auch die Nicht-Produzenten so viel haben wie sie benötigen, sich also der Zustand sub 1.1 ergibt.

Für beide Vorgänge (1.221 und 1.222) lassen sich in dem großen Bereich von Familien- und/oder Stammesgesellschaften zahlreiche Beispiele finden. Ein „Zins“ in welcher Form auch immer entfällt grundsätzlich. In Familien- und/ oder Stammesgesellschaften wird nicht gezinst.

1.223 Die es produzieren, werden dazu gezwungen, es mit anderen zu teilen („Abgabenwirtschaft“ mit anschließender Redistribution des abgelieferten Produzierten). Dies kann dazu führen, dass sie gleich viel, weniger oder mehr produzieren. Für jeden dieser Fälle lassen sich ebenfalls entsprechende Beispiele anführen, wie oft genug schon dargestellt.

Beeinflusst nun der „Zins“ Produktion und Redistribution der Produktion?

Ist der Zins die Abgabe selbst (jedes Zinssystem beginnt ausnahmslos mit der Abgabe – eben dem „Zinnß“!) beeinflusst er sowohl Produktion als auch Redistribution. Die bisherige freiwillige Produktion muss in Höhe dieses Zinses (als SOLL vorgegeben) gesteigert werden; zur Redistribution an die Produzenten gelangt nur, was jene, die das Abgabensystem erzwungen haben (und selbst nicht produzieren, sondern – was schließlich der Zweck der Übung ist – produzieren lassen, also weder den Buckel krumm machen noch Schweiß vergießen), nicht selbst für sich benötigen.

Die Produktion kann nur gesteigert werden, wenn die Nicht-Steigerung sanktionsbewehrt ist. Das gilt zwar auch für Stammesgesellschaften („sozialer“ Zwang), wird aber erst beim – wie auch immer ablaufenden - Übergang zu Abgabenwirtschaften ein die Produktion beeinflussender Faktor, da der/die zu Abgaben Gezwungene(n) [Einzelne, Gruppen, Unterworfene, Fremdstämme, Grundhörige, Hintersassen, Pächter usw.] außer der Produktions- und vor allem Produktivitätssteigerung diese Möglichkeit haben:

- Entweder sie ertauschen sich das von ihnen geforderte Abgabengut, indem sie das Abgabengut Haltenden bzw. ihrerseits noch nicht unmittelbar vor ihrem eigenen Abgabentermin Stehenden Nicht-Abgabengüter andienen. Daraus entwickeln sich – zunächst stark schwankende - Mengenrelationen zwischen Abgaben- und Nichtabgabengütern (wäre Fall 2), die dann – ausgedrückt im schließlich einzigen verbleibenden Abgabengut (Metall, dann „Geld“) – zu Preisen, ausgedrückt im Abgabengut, führen und damit zu „Märkten“ bzw. zur Markt“wirtschaft“. Alles ist „real“ erwirtschaftet, also existent und bedarf keinerlei privaten „Zinses“.

- Oder sie leihen sich das Fremdgeforderte. Das kann – je nach sozialem Kontext – durchaus zinslos geschehen (muss aber spätestens dann verzinst werden, wenn der das Abgabengut Haltende es seinerseits zu seinem Termin schuldig wird – die Urkundenlage ist eindeutig). Damit ist der „private“ Zins in der Welt, der – zunächst – überhaupt nichts mit „Investitionen“ oder unternehmerischen „Aktivitäten“ zu tun hat (die „Zinsen“, welche die Palasthändler zu entrichten hatten, waren nichts anderes als eine andere Form des „Zinnß“, also einer an Palast bzw. Tempel zu entrichtenden Abgabe).

Schon bei dieser Form der „privaten“ Zinsung sehen wir, was wir bis heute beim „Zins“ sehen: Die entsprechenden Darlehen kann nur aufnehmen, wer seinerseits entweder in einer Eigentümerposition ist (also „Sicherheiten“ oder „Pfänder“ anzubieten hat, die „marktgängig, siehe oben, sein müssen) oder selbst ein Gläubiger zu einem späteren Zeitpunkt. Einen Schuldner „als solchen“ gibt es nicht – es sei denn ein solventer Dritter (solvent = in einer Eigentümer- oder Gläubigerposition) bürgt für ihn, hat also stellvertretend für ihn zu leisten.

Nun haben sich diese beiden Formen der Bewältigung des Abgabenproblems rasch vermischt und es entsteht der „private“ Zins zu geschäftlichen Zwecken. Dabei besteht das „Geschäft“ eben darin, wiederum „reale“ Güter zu erstellen bzw. erstellen zu lassen mit denen sich andere „reale“ Güter auf den sich mehr und mehr entwickelnden „Märkten“ (sogar Produktenbörsen wie im Babylon des 1. Jt. BC) handeln lassen. Auf der ursprünglichen Einbahnstraße („Ersatzgüter“ zur Habhaftwerdung des Abgabengutes zu produzieren) entwickelt sich eine gänzlich neue Schicht, nämlich die des „Banquiers“ (zunächst noch Wucherers), der das nunmehr standardisierte Abgabengut „Geld“ auch zu Zwecken verleiht, damit es sich jene, die es sich leihen, in geschäftliche Aktivitäten (dieses zum zeitlich späteren Vollzug der Produktion „realer“ Güter) verwandeln können. Somit entsteht logischerweise ein „Gegenverkehr“.

Der dabei vereinbarte „private“ Zinssatz kann natürlich noch nicht zu irgendetwas verwendet werden (also etwa zur Verteilung bereits erstellter Güter), da der Zins selbst überhaupt noch nicht in Form von gezahlten Zinsen an den Gläubiger gelangt sein kann. Zinssatz und Zins werden immer wieder verwechselt. Der Zinssatz erzwingt überhaupt erst den Zins (wie der Steuersatz die Steuer). Die Leistung des Zinses an den Gläubiger wiederum setzt voraus, dass der Zinszahler den Zins mit letztlich der Erstellung eines „realen“ Gutes bzw. dessen Verwandlung in „Geld“ auf realwirtschaftlichen Märkten erwirtschaften konnte.

Dass dabei ein Schuldtitel seinerseits zwischenzeitlich diskontiert werden und so vor Fälligkeit in „Geld“ verwandelt werden kann [Achtung: Der Wechsel verzinst sich nicht, nur der diskontierte Wechsel!] , mit dessen Hilfe zeitlich vorgezogene Kaufschulden beglichen werden können ohne dass der Titel-Schuldner bereits seinerseits „Reales“ und demnach zur Verteilung Mögliches erstellt hat, bedeutet nur, dass nunmehr ein zusätzlicher Käufer (Kaufkontrakt-Williger) erscheint und damit der Preis der infrage kommenden und bereits „real“ existenten Ware (und damit das „Preisniveau“) tendenziell in die Höhe getrieben wird. Entsprechend senkt die „reale“ Produktion des Letztschuldners aus dem Schuldtitel, die dann zusätzlich am Markt erscheint, Preise und Preisniveau entsprechend.

Der Zins (ex „privat“ vereinbartem Zinssatz aus einer entsprechenden monetären Verschuldung) kann also das „reale“ und zur Verteilung anstehende Produkt, das zur Erfüllung des Schuld- und Zinskontraktes über Märkte in Form von dafür zu erhaltendem „Geld“ laufen muss, immer nur auf der Zeitachse verschieben.

Würden alle bestehenden Schuldkontrakte genau zu den ursprünglich vereinbarten Terminen erfüllt, könnten dies die Schuldner nur mit Hilfe von am Markt gegen „real“ erstellte und am Markt gegen Geld „realisierte“ Produkte leisten. [Nicht diskontierter Wechsel fällig = in Höhe der Wechselsumme muss gezahlt werden, ganz ohne „Zins“].

Können sie das nicht (und um genau diese Einwerbung des geschuldeten Geldes am Realgüter-Markt geht’s im „Kapitalismus“), kann der Schuldkontrakt nicht erfüllt werden und der Gläubiger hat seine Forderung auszubuchen – es sei denn, er kann sich an „Sicherheiten“ schadlos halten.

[Die „gegensteuernde“ Konjunkturpolitik des Staates, die bei massiv auftretender Gefahr von insgesamt hohen Forderungen einsetzt, bedeutet letztlich nichts anderes als den Ersatz des für diesen Ablauf erforderlichen Nachschuldners durch die öffentliche Hand, die sich ihrerseits als Nachschuldner fingiert = zeitliche spätere Steuerforderungen diskontiert und an die Zeichner von Staatsanleihen abtritt, wobei die dafür erforderliche Liquidität durch das Einreichen bereits existenter Titel bei den Zentralbanken via Banken abgeholt werden kann].

Dreh- und Angelpunkt des ganzen „Systems“ ist und bleibt die „reale“ Sphäre. Diese hat durch den Marktmechanismus einen Preispuffer: Würden z.B. alle existierenden Titel aus ihren Laufzeiten „geweckt“ und via Diskontierung durch die Titelhalter in sofortige Fälligkeit verwandelt [aus z.B. allen Wechseln würde „Bargeld“], so dass realwirtschaftliche Kaufkontrakte sofort abgeschlossen und erfüllt werden könnten, würden die zur Erfüllung der Kaufkontrakte seitens der Verkäufer (Warenhalter) abzugebenden, weil bei ihnen sofort lieferbaren „realen“ Güter nicht mehr oder weniger, sondern eben teurer.

Schönen Sonntag noch + Gruß!