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Eigentum, Macht, Freiheit - Klärungsversuch |
Geschrieben von dottore am 05. März 2006 16:06:12 Hi, in einem von Prof. Uwe Wesel zitierten Urteil des BVG heißt es: „Das Eigentum ist ein elementares Grundrecht, das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Freiheit steht.“ Das ist eine Wischiwaschi-Aussage, die obendrein auch unpräzise ist. Ein „Recht“ ist nicht als „als solches“ vorhanden und steht sozusagen „solo“ im Raum. Handelt es sich um objektives Recht (Normen, Gesetze usw.), setzt dies eine, dieses Recht setzende Herrschaft voraus. Beim Phänomen der Herrschaft müssen wir auf den bis heute in diesem Punkte weitgehend anerkannten Max Weber zurückgreifen (Kap. 1 von „Wirtschaft und Gesellschaft“). Herrschaft ist ihm institutionalisierte Macht, die wiederum bedeutet: Man kann „Einfluss“ nehmen auf andere und ihr Verhalten. Dazu bedarf es eines „institutionalisierten Zwangsapparates“, der staatliche Befehle (Gesetze letztlich) mit Hilfe physischen Zwangs (Wesel: „manu militari“ – mit bewaffneter Hand) umzusetzen vermag. Hans-Hermann Hoppe hat sich in „Eigentum, Anarchie und Staat – Studien zur Theorie des Kapitalismus“ (Kap. 4) wie folgt geäußert: „Nur eine reine Privatrechtsgesellschaft, die jedermann, Privatperson wie Personengesellschaft, unter identisches Recht stellt, ist allgemein rechtfertigbar. Öffentlich-rechtliche Körperschaften bzw. die in ihrem Namen vorgehenden Personen dagegen beanspruchen ein als solches naturgemäß nicht allgemein rechtfertigbares Sonderrecht: das Recht, sich Eigentum anders als durch ursprüngliche Appropriation oder freiwilligen Austausch von Eigentumstiteln zu beschaffen. [Die „ursprüngliche Appropriation“ ist genau der kritische Punkt: Verfolgt man den Strang der uns interessierenden, weil in ihren Ablauf seit den oft erwähnten Anfängen ex Nahem Osten eingebetteten Geschichte, so steht am Beginn eine Mixtur aus Appropriation von Grund und Boden („Arealen“), die bereits anderen als areales Eigentum zustehen (vgl. die Bernbeck- und/oder Origin-of-War-Diskussionen), wozu das „ius occupandi“, also das Recht (im Sinne einer „Berechtigung“) der Aneignung abgeleitet wird, zu zählen ist und der Aneignung einer „res nullius“ (Sache niemandens), was für unbesiedeltes und auch nicht für teilweise oder vorübergehend genutztes Land (etwa durch Nomaden) gegolten hat. Die „ursprüngliche Appropriation“ bedeutet in jedem Fall die Aneignung von Areal, was unweigerlich zur Entstehung von HERR-schaft und damit von Protostaaten und Staaten selbst führt. Ist das Areal angeeignet, sind sämtliche Vor- und/oder Frühformen zumindest des Grund-Eigentums beendet. Der HERRscher, später „Staat“ ist der Gesamt-Eigentümer des Areals, im rechtshistorischen Ablauf jedenfalls der Ober-Eigentümer (siehe die frühere Diskussion darüber), der Unter-Eigentum (generell unfreiwillig) in verschiedenen Formen und Sub-Formen zulassen kann und zugelassen hat. Seit der Napoleonischen Zeit jedenfalls hat sich die historisch oft stark verschachtelte Eigentums-Struktur (für den „ganz unten“, den sog. „gemeinen Mann“ existierten oft mehrere Ober-Eigentümer) stark vereinfacht: Nur noch der „Staat“ ist Ober-Eigentümer, etwaige Zwischenstufen wie Grundherren, Adel, Geistlichkeit, usw. sind entfallen. Das im BVG-Urteil angeführte „Eigentum“ (gemeint: „privates“ Eigentum!) hat stets den Ober-Eigentümer „Staat“ über sich, was sich schon daraus ergibt, dass der „Staat“ den von Max Weber erwähnten Zwangsapparat („manu militari“!) gegenüber den Unter-Eigentümern einsetzen kann ohne Sanktionen gegen sich selbst befürchten zu müssen. Bestenfalls können die den „Staat“ Betreibenden, sie sog. „politische Klasse“ (Helmut Schmidt) durch Nicht-Wiederwahl abgestraft werden. Dass dadurch alle jene Gesetze („Rechte“ des Staates, bzw. „Berechtigungen“ desselben), die sich gegen das („private“) Untereigentum richten, nullifiziert werden, also der status quo ante (modern: gesetzlicher Zustand vor der betreffenden Legislaturperiode) wieder hergestellt wird - davon kann keine Rede sein und ist auch nirgends bisher beobachtet worden.] Hoppe fährt fort: „Sie zwingen Personen, die keinerlei eigentumsrechtliche Verfehlung begangen haben, einen Mitgliedsbeitrag zwecks Finanzierung ihrer Unternehmung zu leisten und/oder sie zwingen i. o. a. Sinn unschuldige Personen, sich einer (Körperschafts-)Verfassung zu unterwerfen, die das exklusive Verfügungsrecht dieser Personen über ihr rechtmäßiges Eigentum betreffen. Beides ist, ob institutionalisiert ablaufend oder in Form sporadischer Übergriffe im Privatrechtsverkehr, Aggression gegen rechtmäßige Eigentumsansprüche: ‚Besteuerung’ fällt in die gleiche rechtliche Kategorie wie ‚Raub’; ‚Zwangsverpflichtung zu sozialen oder Verteidigungszwecken’ gehört zu ‚Versklavung auf Zeit’; und ‚gesellschaftspolitische Maßnahme’ hat ihr Gegenstück in ‚gewaltsame Aneignung von Eigentumstiteln und Neuverteilung oder -veräußerung unrechtmäßig erworbenen Eigentums’ oder, kürzer, in Diebstahl und Hehlerei.“ Dies ist klassisches anarcho-liberales Gedankengut (und daher auch bei mises.org dankenswerterweise zu finden). Es geht von einem „Urzustand“ oder einem „Ur-„ bzw. „Naturrecht“ aus, das auf den ersten Blick auch seine Berechtigung zu heben scheint, zumal dies zahlreiche enthnologische Studien stützen (vgl. Middleton/Tait, „Tribes without Rulers“ u.v.a.m.). Nun wissen wir, dass sich aus solchen „friedfertigen“ Strukturen nirgends mehr entwickelt hat, als das übliche, für die eigene Subsitenz Produzieren. Auf solche Stämme (z.B. die südsudanesischen Nuer) hinzuweisen ist sicher lehrreich, für die Erklärung des Kapitalismus führen sie jedoch nicht weiter. Selbst Thomas Hobbes, der – außer den amerikanischen Indianern (rudimentär) – keine Kenntnisse über Stammesgesellschaften hatte, schreibt in seinem berühmten Passus „Solange es also keinen Staat gibt...“: “In einem solchen Zustand arbeitet niemand, weil es sich nicht lohnt.“ Auch wenn Hobbes das Nicht-Arbeiten mehr als Ausfluß seines berühmten „Krieges aller gegen alle“ im Auge hat (beim Dauer-Bürgerkrieg macht es, da laufendes Beutemachen droht, auch wenig Sinn), ist das „Ausbeutungs“-Phänomen im Hoppe’schen Sinne selbstverständlich auch auf den (unerklärten und verdeckt durch die Gesetzesblätter huschenden) Dauerkrieg „Staat gegen Untertanen“ anwendbar. Niemandem würde es einfallen, zu arbeiten, wenn ihm das Erarbeitete laufend entwendet würde (über die früheren Nicht-Arbeits-Sanktionen wurde ausführlich gepostet, Schuldknechtschaft usw.); dazu müßten nur die Steuern bzw. Steuersätze (aktuell und vertagte) entsprechend in die Höhe gesetzt werden. Würde jedem bewusst, dass die „Staatsschulden“ in Wahrheit seine Schulden, also durch immense Steuerabforderungen (wann auch immer und via Staatsmacht an wen auch immer) auszugleichen sind, würde das das Einkommenserzielungs- und/oder Sparverhalten stark beeinflussen und zwar negativ. Die Staats“kunst“ (recte: Kunst, die jeweilige Staatsmacht selbst zu erhalten und den „Kollaps“ bzw. Revolution oder Umsturz zu vermeiden, was oft genug in der Geschichte mißlang), besteht also darin, das „Arbeiten“ der Untertanen beizubehalten, es direkt oder indirekt (Subventionen usw.) zu fördern, wobei sich automatisch Produktivitäts-Zuwächse ergeben, da sich niemand ununterbrochen und zeitlebens dem aussetzen möchte, was Mises in einer genialen Wortschöpfung das “Arbeitsleid“ genannt hat. Zu dem durch Arbeit erzielten bzw. erzielbaren Produktivitäts-Plus gibt es ein interessantes Beispiel zweier im Kongo nebeneinander (nur durch eine Fluß getrennt) existierender Stämme, nämlich der Lele und der Buschong. Die ersten waren arm (wir sprechen von den Zuständen vor der belgischen Kolonialisierung), ihr häufigstes Wort war „Hunger“, die anderen wohlhabend. Der wichtigste Unterschied der beiden, sich in Sprache, Bauten, Kleidung usw. gleichenden Stämme war die gesellschaftliche Struktur. Die Lele waren egalitär und autoritätslos, die Bushong hatten einen starken König und ihm quais machtmäßig „zuarbeitende“ Unter-Häuptlinge. Wesel kommt zu dem für Machttheoretiker nicht überraschenden Schluss: “Allgemein lässt sich beobachten, dass der Druck von Zentralinstanzen, auch der Abgabendruck [!], die Ökonomie früher Gesellschaften intensiviert.“ Und: „Je stärker die politische Herrschaft ist, desto größer wird regelmäßig die Produktivität.“ Wobei er sich dem Urteil des hier schon bekannten Anthropologen Marshall Sahlins („Stone Age Economics“) anschließt. Dass auch andere Faktoren eine Rolle gespielt haben (Polygynie der Lele) sei angemerkt – als wohl eher die Folge als die Ursache des unterschiedlichen Verhaltens. Nebenbei auch noch: Obwohl die Buschong mit Kanus und Netzen operierten, die Lele (am anderen Flußufer) dagegen nicht, wie sie überhaupt gegen „Investitionen“ waren, widerlegt auch die These, dass es „automatisch“ zu Arbeitsteilung und/oder Handel oder gar „Geld“ als „Tauschmittel“ kommt, sobald die eine Seite in Erfahrung bringt, was die andere alles so drauf hat. Doch kehren wir zurück zum eingangs zitierten BVG-Urteil. Zunächst einmal ist das Eigentum (bei der ohnehin schon gebrachten Relativierung) kein „Recht“ im objektiven Sinne, sondern eine Berechtigung (= subjektives Recht, wie in jedem Jura-Lehrbuch nachzulesen). Die Berechtigung wird dabei unzulässigerweise im Sinne nur eines ausschließlichen und absoluten (also gegenüber jedermann geltenden) Verfügungsrechtes definiert. Also: Jeder hat seine „Habe“ (mobiles Eigentum) und seinen Grund und Boden (immobil) und kann jeden anderen entsprechend aus-grenzen (im buchstäblichen Sinn des Wortes). Darum geht es aber überhaupt nicht. Damit wird nur der Status selbst beschrieben und als „Recht“ verteidigt, was ihm Handhaben aller Art gibt, dieses Recht (mit dem Eigentum auch machen zu können, was man will) zu „verteidigen“ bzw. mit Hilfe von Machtapparaten sichern und verteidigen bzw. entsprechende „Berechtigungsbrecher“ bestrafen oder sanktionieren zu lassen. Mit dieser Einschränkung wird völlig ausgeblendet, dass der Eigentümer auch Berechtigungen gegenüber dem Nicht-Eigentümer hat, sobald oder sofern dieser gezwungen ist, das Eigentum zu nutzen, in Sonderheit, sich darauf aufzuhalten. Das Modell geht also von der ganz falschen Voraussetzung aus, dass auch der Nicht-Eigentümer „frei“, also mitnichten und mit Nichts dem Eigentümer gegenüber verpflichtet ist oder verpflichtet werden kann. Das „Eigentum“, das dem BVG vorschwebt, ist nur das „private“ Unter-Eigentum: Hat jeder sein eigenes Haus mit Grund und Boden, ist er zwar keinem anderen Unter-Eigentümer gegenüber verpflichtbar (Mietzins, Pachtzins) und in diesem Sinne „frei“. Gegenüber dem Ober-Eigentümer (früher Herrscher, heute „Staat“) ist und bleibt er jedoch unfrei und hat in welcher Form und Höhe auch immer seinen Steuerzins zu entrichten, den hier schon ausführlich dargestellten „Zinnß“. Den Steuerzins wiederum zu beseitigen, hieße den Machtapparat „Staat“ beseitigen. Die logische Konsequenz daraus: Das „private“ (Unter-)Eigentum wäre nicht zu besichern, jedenfalls nicht jenes, das zur Zinsung von Nicht-(Unter-)Eigentümern „berechtigt“. (In sog. „vorstaatlichen“ Gesellschaften existiert durchaus Eigentum – Wesel bringt diverse Beispiele – aber grundsätzlich nur solches, das seinerseits nicht andere zu Leistungen oder Abgaben zwingen kann). Die „persönliche Freiheit“ oder gar deren „Garantie“ im besagten BVG-Urteil hört sich zwar vielversprechend an. Sie kann aber immer nur gegenüber anderen „privaten“ (Unter-)Eigentümern eine Rolle spielen oder angestrebt werden, niemals gegenüber dem Macht- und Abgaben-Monopolisten „Staat“. Der BVG-Satz sei demnach umformuliert: “Das Ober-Eigentum des Staates an seinem Staats-Areal ist eine elementare Berechtigung des Staates, die in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie persönlicher Unfreiheit der Staatsbürger dem Staat gegenüber steht.“ Der gern gehörte Hinweis, dass das Recht inzwischen auch ein Mittel zur Kontrolle von Herrschaft geworden ist, ist formal nicht zu bestreiten. Welche Kraft dieses „Recht“ beim nervus rerum der Staaten, nämlich ihrer finanziellen Unterlegung hat, erleben wir bei den Rechtsbrüchen, sowohl des Völkerrechts (Maastricht) als auch der Bundes- und Landesverfassungen (Schuldenaufnahme > Investitionen, also contra legem schlechthin) laufend. Oder wer oder was kann die Einhaltung etwa des Art. 115 GG einklagen? NIEMAND. Wesel daher zu Recht: „Auch staatliche Herrschaft ist an das Recht gebunden [welches Recht konkret, wenn schon die Verfassung ausscheidet?], muss sich kontrollieren lassen.“ [Und WAS passiert nach der Kontrolle? Nach den Berichten der Rechnungshöfe? Wird jemand verhaftet? Bestraft? Was heißt das in diesem Zusammenhang immer wieder gern gehörte „Übernahme der Verantwortung“? WIE sieht diese „Übernahme“ aus?] Und Wesel bringt es dann auf den Punkt: “Wobei allerdings [aha!] der Staat selbst die Rahmenbedingungen dafür gesetzt hat.“
Das nochmals zur grundsätzlichen Klärung diverser Punkte. Dank fürs Lesen und Gruß!
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