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Origin of War - die nächste, hier: Nordost-Syrien

Geschrieben von dottore am 18. Dezember 2005 15:47:54

Hi,

als interessantes Gegenstück zu den Mesopot-Stätten Ur, Uruk usw. gilt das im nordöstlichen Syrien nahe der heutigen türkischen Grenze gelgene Tell Hamoukar, das von Amerikanern ausgegraben wird. Zur Lage:

Der Tell (Hügel) umfasst eine Gelände von ca. 2 qkm. Ob und inwieweit er Akropolis-Charakter hatte, also als Zentrum etwaiger Machthalter gegenüber der Umgebung und dortigen Siedlungen oder auch Nomadisierenden gegolten hat, ist offen. Es kann auch sein, dass wir es mit jahreszeitlich (je nachdem, wann welche Beutetiere durchzogen, ähnlich der La Tène-Geschichte) bedingten Besiedlungen zu tun haben, wie überhaupt die ersten Siedlungen im Nahen Osten (wurde schon mal kurz andiskutiert, Beispiel Israel) keine permanenten Siedlungen waren.

Die Gesamtansicht:

Die Häuser sind „modern“. Es geht um den Hügel selbst und die Ausgrabungen dort:



Die Siedlungsgeschichte ist interessant und reicht bis 6000 BC zurück. Zunächst wurde das höchstgelegene Kernstück besiedelt, wie die Keramikfunde zeigen (hier ca. 4000 BC):

Die Siedlung dehnte sich dann per Bevölkerungsvermehrung (Stammesvermehrung) aus und erreichte schließlich das Gebiet des ganzen Tells.

Die Rede ist von 10.000 bis 20.000 Einwohnern, was natürlich Hierarchisierungen zur Folge hatte. Aus diesen Hierarchisierungen folgte zum einen ein mit Hilfe von gefundenen Stempelsiegeln

durchgezogenen klassische Distributionsökonomie.

Zum zweiten auch aus der Spezialisierung der Herstellungen. Zum Beispiel wurden Keramiken (Töpfe usw.) zunächst in den einzelnen Häusern und Familien selbst gefertigt (typisch Ubaid also), danach ging man zur arbeitsteiligen Produktion über, was z.B. diese ausgegrabenen „Großöfen“ zeigen:

Dabei wurden keine Spuren eines Handels gefunden, die Region war komplett autark. Einige „Fremd-Töpfereien“ von weiter südlich stammen erst aus der Zeit nach der Eroberungen, siehe gleich.

Interessanterweise ist der Tell von einer Mauer (bis über 3 m hoch und 4 m breit!) umgeben, was darauf schließen läßt, dass sich die Bevölkerung auf dem Tell gegen irgendjemand wappnen wollte oder musste. Etwaige Tempel- und oder Palastanlagen sind noch nicht entdeckt worden. Möglicherweise ist es zu dieser Form und/oder Symbolik der Herrschaftsausübung noch nicht gekommen. Der Grund für das Fehlen solcher „imperialer“ Denkmäler dürfte in einem überraschenden Fund liegen, der soeben vom Oriental Institute Chicago, Leitung Prof. Clemens Reichel mitgeteilt wurde.

Danach wurde Tell Hamoukar ca. 3500 BC erobert, aller Wahrscheinlichkeit nach von einem der weiter südöstlichen Zentren der Uruk-Kultur, die bekanntlich nicht zimperlich oder gar friedfertig war.

Die Eroberern – und das ist ein Novum – haben dabei die Stadtmauern mit Hilfe von ovalen „bullets“ (gefunden: ca. 1200 Stück) und großen Kugeln (120 gefunden) sturmreif geschossen, abgefeuert mutmaßlich mit Schleuder-Mechanismen. Reichel nennt die Gegend die älteste bisher bekannte Zone, in der „großflächig Krieg geführt wurde“. Dieser „origin of war“ ähnelt dem ca. 1200/1300 Jahre später datierten, der aus dem Hochtal von Oaxaca (Mexiko) gemeldet wurde (lange Diskussion dazu hier).

In Tell Hamoukar wurden auch die schon aus Tell Brak

bekannten „Augen-Idole“ gefunden:

Diese frühen Stadt-„Kulturen“ sind ein interessantes Bindeglied zwischen den ursprünglichen und eigenwirtschaftlich operierenden Multi-Familien oder Stammesgesellschaften, die ihre "falsche Entscheidung" (@Popeye) in Form der Sesshaftwerdung getroffen haben und dem was wir dann als klassische Abgabenökonomien erleben, die in dieser Gegend ihren Ausgang nahmen und mit dem dortigen Großreichen der Mitanni, Hethither (weiter nördlich) und vor allem der Assyrer/Perser ihren ersten Höhepunkt erreichten, wo dann, wie schon des öfteren erwähnt, im Zentrum Babylon alles schließlich ausgebildet war, was wir in unseren „modernen“ Ökonomien weltweit fast durchgehend auch erleben dürfen.

So fügen die „Cannonballs“ von Hamoukar einen weiteren hübschen Puzzle-Stein in das Gesamtgebilde. „I‘m excited“, sagt Prof. Reichel. Kann ich auch von mir sagen.

Gruß!