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Re: Zur Not gehts auch ohne Markt, an dem Steuerpflichtige Handel treiben:

Geschrieben von dottore am 20. August 2005 16:13:45


Als Antwort auf: Re: Zur Not gehts auch ohne Markt, an dem Steuerpflichtige Handel treiben: geschrieben von Diogenes am 20. August 2005 14:42:11:

>>>>"The market is not the only situation requiring money." >>>Wozu braucht man Geld, wenn man keinen Markt hat? Zum Steuern zahlen? Schön. Und was soll der Oberbimbo mit "Geld" wenn er keinen Markt hat? Die Soldaten zahlen? Gut. Und was machen diese dann mit dem "Geld", wenn sie keinen Markt haben zum einkaufen? >>>Ohne Markt braucht es kein Geld. Zum Rauben und Erpressen auch nicht. >>BSP: Bauer -> König -> Kostgänger/Soldat -> Bauer >>Bequemer ist es jedoch, die Waren direkt abzupressen und an die Kostgänger/Soldaten zu verteilen. >>Gruss >Nur wozu Geld, wenn kein Markt? Ich kann mir zwar einen Markt ohne Geld vorstellen, aber Geld ohne Markt nicht. Es macht einfach keinen Sinn.

Hi,

nochmals gern zum Beginn der Silber(geld)geschichte:

1. Abgaben werden in natura erhoben (grain).

2. Dazu braucht der Abgabenherr ein Gewicht.

3. Das Gewicht ist Silber (im Gegensatz zu Stein gut teilbar).

4. Es kommt zur festen Parität grain = Silber (Silbergewicht 1 "Shekel" = 180 grains = Körner).

5. Es kann nun grain oder Silber abgegeben bzw. vom beides besitzenden Abgabenherrn (bzw. seinen "Verwaltern", tax farmers usw.) verteilt oder verliehen werden werden.

6. Silber wird als Tribut von auswärts eingefordert. Die Zahl der tributpflichtigen Herrscher, die abzugeben haben, geht in die Dutzende.

7. Die Zentralmacht steht in dauernder Gefahr von Umstürzen oder verlorener Kriege. Grund: Macht lohnt sich, da der/die Machthalter mit Waffeneinsatz produktiver (für sich!) operieren als wenn sie selbst malochen würden.

8. Die Macht muss sich Machterhalter beschaffen, da eigener Clan (auch "Kriegerkaste") usw. zu klein. Außerdem müssen die Kämpfer im Krieg ihre Felder verlassen - Nahrungsmittel-Probleme.

9. Der Söldner erscheint, der sich an den Machthaber verkauft. Söldner, "Hilfstruppen", usw. treten in Massen auf (vgl. noch Xenophon und seine Griechenarmee bei den Persern). Der größte Markt für "Militärleistungen" lag in späterer Zeit an der Südspitze der Peloponnes (vgl. ausführliche Postings).

10. Der Söldner wird in Silber entlohnt. Damit kann er sich im Zentralmachtbereich mit grain (Parität) selbst versorgen. Aber er möchte "Geld" (immer vorab zu zahlen) mit nach Hause nehmen. Von Geld als "Tauschmittel" keine Rede, denn die ältesten Münzen überhaupt sind Großmünzen (Kraay), also als "Geld" oder "Tauschmittel" auf Märkten nicht zu gebrauchen, weshalb sie auch zerkleinert werden. Vgl. a. den Assyut-Hort im münzlosen Oberägypten (bitte Diskussion dazu zur Kenntnis nehmen). Darin u.a. eine halbe (zerbrochene) Dekadrachme.

11. Seine Heimat ist just einer der Peripher-Macht-Bereiche (Kleinkönige, Landschaften usw.), die ihrerseits Silber an die Zentralmacht abführen müssen.

12. Dieses Silber haben sie auf Dauer nicht selbst zur Produktion zur Verfügung (eventuelle Gruben erschöpft). Sie müssen es sich bei denen beschaffen, die es halten - ergo den Söldnern.

13. Die Söldner bieten es gegen andere Produkte (auch Grund und Boden, usw.) in ihrem, an die Zentralmacht tributpflichtigen Herkunftsland an.

14. Märkte entstehen und zwar außerhalb des Zentralmachtsgebietes, das selbst keine kennt (siehe nochmals Herodot), sondern nur die Distributionswirtschaft (Verteilung der Naturalabgaben, siehe neuerdings auch die Inka und Caral zu diesem Punkt).

15. Die Tributpflichtigen beschaffen sich mit Hilfe ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit das Silber, das sie abliefern müssen. Dieser Zwang startet auch die über Familie und Stamm hinausreichende Arbeitsteilung.

16. Dort, wo das Silber liegt ("Tempelbanken", vgl. auch die gigantischen Silberhorte der Perser, die Alexander behob), steht es zum Einkauf neuer Söldner-, i.e. Machterhaltungspotenziale zur Verfügung.

Der Machtkreislauf ist geschlossen, das bis heute zu beobachtende "Wirtschaften" startet.

Viele Varianten zu bestaunen, u.a. in Ur (3. Dynastie): Kernland (Zentralbereich der Hauptstadt mit mauerbewehrten - warum wohl Mauern? - Palast- und Tempelanlagen) steuerfrei. Ist wie heute: Der Staat zahlt an sich keine Steuern. Nirgends die Spur eines Marktes, sondern ausschließlich Abgaben- und Vorratsplätze.

Ringsum die zentralen Provinzen. Liefern die Steuer bala ab. Die Peripherie-Gebiete zahlen die Steuer gun mada. Michael Roaf (in französicher Übersetzung):

"Le bala était une taxe payée par les provinces du coeur de l'empire... tandis que le gun mada étrait livré en nature par le personel militaire de la péripherie."

Keinerlei Märkte! Im zentralen Machtbereich liegen die Orte für die Redistribution. Einer der wichtigsten Puzrish-Dagan (ca. 10 km südlich Nippur). Märkte entwickeln sich in den Peripherien. Dies dort, um die von dort abgeforderten Abgaben eintauschen und abliefern zu können.

Sie ziehen immer näher an die Machtzentren, vgl. noch forum ("Markt") von "foris" (= draußen, ital. "fori") oder auch Pausanias, der die Märkte "außerhalb der Städte" entstehen sieht.

Die Peripherie- und die noch weiter weg (östlich) befindlichen "verbündeten" Gebiete (die Allianzen werden mit Metall bezahlt), sind scharf auf dieses hervorragende Geschäftsmodell, erobern und zerstören Ur, dessen letzter König als Gefangener im persischen Anshan verschwindet.

So geht es zwischen den Imperien und Stadtstaaten immer hin und her, kommt von dort nach Griechenland (Tributsystem des attischen "Seebunds"), sehr schön dann Rom mit seinen "Provinzen" usw., usw. und bleibt als Staatszwangssystem und "Wirtschafts-" und natürlich auch "Kriegs-Treiber" bis heute erhalten.

Gruß!

PS: Nicht das "Geld" (STZM, GZ) jagt die Waren, sondern jene dieses.

Der Zwang, sich Waren (Güter) zu beschaffen (z.B. zur Abtragung der Urschuld) ist erheblich geringer (und über die Zeit zu stretchen) als der Zwang, sich das Abgabengut beschaffen zu müssen. Denn dieser Zwang ist termin- und sanktionsbewehrt.

Urschuld kann per Subsistenzwirtschaft ("Produzieren") abgetragen werden. Sobald auf angedrohtem Waffeneinsatz basierender Abgabenzwang (und ohne Waffe keine Zwingmöglichkeit) erscheint, beginnt die Surplus-Erzwingung und damit das, was wir "Wirtschaften" nennen. Von den dieses begleitende permanente Krieg führen und/oder Umstürzen ("Steuerrevolten" en masse) ganz zu schweigen.

Nochmals Gruß!