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OT: Wo Darwin und andere irrten

Geschrieben von Popeye am 02. März 2005 14:35:03

Als Antwort auf: Re: Nein geschrieben von dottore am 27. Februar 2005 14:54:16:

Hallo, @dottore,

leider komme ich erst heute dazu, zu bekennen, dass ich mich über diesen Beitrag von Dir geärgert habe.

Schon immer stört mich Deine Neigung zum „Prominenten-Bashing“. In „Der Kapitalismus…“ ist es mir besonders hart aufgestoßen, – obwohl es dort mit guten Argumenten unterlegt war, - was allerdings eine wissenschaftliche Desavouierung (hindsight is 20/20!) dieser Personen, in meinen Augen, noch lange nicht rechtfertigt.

Welchen logischen Widerspruch soll ich nun zwischen Evolutionstheorie einerseits und dem moralischen Anspruch "Wir sind auf der Welt, um die Menschheit ein Stück besser zu machen" andererseits erkennen, der die Bezeichnung „verkappter Kreationist“ rechtfertigen könnte? Kann man etwa als Atheist und Evolutionist keine persönlichen moralischen Leitlinien verfolgen, ohne auf ein manifestes religiöses Glaubensmuster zurückzugreifen?

Offensichtlich hast Du Mayrs Buch (noch?) nicht gelesen. Warum sonst würdest Du auf die obskure Besprechung des Buches von einem „krokodiehl2“ bei Amazon zurückgreifen müssen, um Mayr „in die Ecke zu stellen“?

Dabei geht es mir keinesfalls um Deine grundsätzliche Kritik der Evolutionstheorie. Deinen Ansatz „….aber mit einem etwas flächendeckenderem "externen" creare käme man zurecht.“ kann ich als Argument/Position widerspruchslos akzeptieren. Im Grundsatz steht eine solche Position auch keineswegs im Widerspruch zur Evolutionstheorie.

Mir geht es ausschließlich um die Desavouierung der ‚wissenschaftlichen’ Person.

Wäre es denn so verheerend, wenn ein knapp 100-jähriger Wissenschaftler das Kaninchen den Nagetieren und die Vögel den Poikilothermen (Wechselwarmen) zuordnet und der Lektor diese belanglosen Lapsii nicht entdeckt? Würde das ein globales Urteil wie „in seiner Wissenschaft nicht sattelfest“ vor seinem Lebenswerk wirklich rechtfertigen? Was, bitte, könnte dieses vernichtende Urteil - auf der Basis einer Rezension eines unbekannten fremden Dritten - rechtfertigen?

Zu Mayrs Lapsus darf ich informieren, dass Kaninchen und Nager tatsächlich lange Zeit entsprechend der prinzipiell heute noch gültigen Taxonomie von Carl von Linné eher undifferenziert (einschließlich Nashorn!)in der Ordnung der Glires (Nager) zusammengefasst wurden. Erst 1912 wurde von dem amerikanischen Paläontologen James W. Gidley (1866-1931) vorgeschlagen, Nagern und Hasenartigen unter der Oberbezeichnung Glires eigene Ordnungen (Rodentia und Lagomorpha) zuzuweisen.

Auch hinsichtlich der Vögel lässt sich mitteilen, dass „krokodiehl2“ seine Hausaufaufgaben nicht gemacht hat. Vögel sind endotherm, was etwas völlig anders ist als homoiotherm.
Aber, - und da beißt keine Maus den Faden ab, - „krokodiehl2s“Kritik wäre fraglos berechtigt – wenn, - ja wenn, sie denn auch Mayr tatsächlich treffen würde. (siehe P.S.).

Darüber hinaus hat „krokodiehl2“ seine Wissenschaft offenbar auch hinsichtlich des 3. Punktes nicht recht im Griff. Das ist ihm aber nachzusehen, weil schon Darwin dort irrte: …."there seems to me to be no great difficulty in believing that natural selection has actually converted a swimbladder into a lung, or organ used exclusively for respiration" (The Origin of Species, Chapter 6 (EA 1859, S. 191). Immerhin hat sich Darwin auf das “believing” beschränkt, während „krokodiehl2“ Faktenwissen behauptet.

Die Schwimmblase der Fische leitet sich sehr wohl von der Lunge ab. Die frühen Fische im Devon hatten (wegen des geringen Sauerstoffgehaltes des Wassers) Lungen. Das kann man u. a. sehr amüsant bei Stephen Jay Gould in „Eight little Piggies: Reflections in Natural History“ oder eher wissenschaftlich trocken bei Karel F. Liem, (1988, Form and Function of Lungs: The Evolution of Air Breathing Mechanisms, American Zoologist 28, 739-759) nachlesen.

Nichts für ungut, lieber @dottore, meine Wertschätzung ist uneingeschränkt. Aber Dein überragendes Wissen in vielen Fachbereichen, Deine exponierte Position in diesem Forum, und auch Dein oft selbst verteidigter Berufsstand verpflichten gerade Dich – so würde ich mir wünschen - zu einem rücksichtsvolleren Umgang mit dem (wissenschaftlichen) Ansehen einer Person. Mehr bleibt zuletzt nämlich niemandem.

Damit Du Dich zunächst nicht weiter über meine schulmeisterlichen persönlichen Vorhaltungen ärgern musst, mache ich ein paar Monate „Forumspause“ – denn, wie Du richtig feststellst, „die deutsche Hütte brennt“ und in meiner kleinen Welt bin ich die einzige Feuerwehr.

Bis dann -
Grüße

P.S. Die Fakten zum ‚Steine des Anstoßes’ des Rezensenten „krokodiehl2“ zur eigenen Beurteilung:

Seite 43
Deutsche Ausgabe:
„Nach dem gleichen Prinzip konnte man andere Säugetiere den Ordnungen der Paarhufer oder Artiodactyla (Hirsche und ihre Verwandten), der Unpaarhufer oder Perissodactyla (Pferde usw.), der Nagetiere oder Rodentia (Kaninchen usw.) sowie denen der Wale, Fledermäuse, Primaten, Beuteltiere und anderer zuordnen, die alle gemeinsam die Klasse der Säugetiere oder Mammalia bilden.“

Englisches Original(2001, S. 24):
In a similar manner, other mammals could be combined into the orders of Artiodactyla (deer and relatives), Perissodactyla (horses, etc.), Rodentia (rodents, etc.), and those of whales, bats, primates, marsupials, and so on to form the class Mammalia (mammals).

Seite 193
Deutsche Ausgabe:
„Vögel beispielsweise haben Flügel und Federn, die schweren Zähne sind verloren gegangen, die Knochen sind hohl, der Schwanz mit seinen Knochen ist nicht mehr vorhanden, die Tiere sind wechselwarm und besitzen physiologische Anpassungen an das Fliegen.“

Englisches Original(2001, S. 153f):
Birds, for instance, have wings, feathers, lost the heavy teeth, have hollow bones, lost the bony tail, are endothermal, and possess physiological adaptations for flight.

[Unterstreichung von mir]