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Re: @Popeye - Der Staat schafft sich sein Geld selbst - Wray/Innes

Geschrieben von dottore am 21. April 2004 12:57:00


Als Antwort auf: Re: @Popeye - Der Staat schafft sich sein Geld selbst - Wray/Innes geschrieben von R.Deutsch am 21. April 2004 09:56:25:

>Lieber Popeye, >was Innes da schreibt ist genau das, was Veit und Schlesinger auch schreiben (deren Ausssagen dazu ich in meinem Buch ja ausführlich zitiere). >Nämlich dass der Staat mit seinen Anleihen das Geld selbst schafft, mit dem die Anleihen dann gekauft werden.

Lieber R.Deutsch,

wenn's so einfach wäre. Mit Anleihen kann der Staat kein Geld "schaffen" - wie denn? Der Staat muss via ZB (seinem "Agenten", aber nicht Anleihenkäufer) die Anleihen am Markt platzieren. Damit der Markt das "Geld" (ready cash) dazu hat, weil er gerade selbst tägliche Fälligkeiten aktiv besitzt (und einen Aktivtausch [!] vornimmt [vorher: Cash, jetzt Anleihe, die Bilanz verlängert sich dadurch nicht), muss er sich durch Einreichen früher begebener Anleihen bei der ZB diesen Cash beschaffen - im Verpfändungs- oder OM-Verfahren. Da er diese Anleihen ebenfalls bereits haben muss (was jemand nicht hat, kann er weder verpfänden noch verkaufen), verlängert auch das nicht die Gesamtbilanz des Marktes - es verändert nur die Fälligkeiten innerhalb der Aktivseite des Marktes.

Entsprechend schaut's beim Staat aus, sofern wir eine "Staatsbilanz" anschauen: Der Staat hat aktiv Steuerforderungen (bis max. 100 % eines irgendwann erwarteten BIP) und passiv Schulden (mit entsprechender Fälligkeitsstruktur). Nun kann er erstens seine Aktiva und Passiva umschichten: bei neuen Anleihen verschiebt er aktiv die sofort fälligen Steuereinnahmen auf später und termingemäß auch die Fälligkeiten seiner Verbindlichkeiten.

Zum zweiten kann er allerdings seine Bilanz verlängern, indem er sich einfach höhere, später fällige Steuereinnahmen reinschreibt und entsprechend passiv vorgeht. Auch dieses endet automatisch in sich selbst, zumal wenn die Steuereinnahmen - wie aktuell - nicht steigen, sondern fallen.

Es läuft immer wieder auf dieselbe Gleichung hinaus:

Die Steuern als zum Termin X fällig, müssen ausreichen, um die zum selben Termin X fälligen (sämtlichen) Verbindlichkeiten des Staates zu decken.

Decken die Einzahlungen (!) nicht die Auszahlungen des Staates, kann er sich zwar weiter (gemeinhin kürzerfristig, siehe die Diskussionen dazu hier) verschulden, dies aber wiederum nur über den Markt im beschriebenen Procedere. Schluss ist, wenn die fälligen Verbindlichkeiten des Staates (Auszahlungen zum Termin X) die überhaupt nur noch erzwingbaren (per Steuererhöhungen usw.) Einzahlungen (zum Termin X) übersteigen.

Dann könnte sich der Staat nur noch über Direkt-Bedienung bei der ZB liquide halten, was heute nicht geht (einschlägige Gesetze noch und noch hier besprochen), was sich aber ändern lässt. Erst dann haben wir das lange gesuchte Staatspapiergeld altbekannter Art.

>Das Märchen, der Markt müsse den Staat finanzieren

Der Markt überbrückt nur die Illiquidität des Staates, was diesen - da immer schneller immer größere Termine daherkommen - in immer größere Illiquiditätsgefahr treibt, da der Markt den Staat nie auf Dauer, sondern immer nur bis zum nächsten Termin vorfinanzieren kann. Finanzieren kann sich der Staat definitiv und zwar so, dass keine weiteren Forderungen mit neuen Terminen ihm gegenüber in die Welt gesetzt werden, nur durch Steuern. Nur durch Steuern wird der Staat bezahlt und durch sonst nichts.

>und die Zentralbanken würden als unabhängige Instanz uns vor dem Moloch Staat schützen dient lediglich der Verschleierung dieses Sachverhaltes. Es funktioniert halt nach wie vor nach dem schlichten Betrugsmuster der Englischen Zentralbank von 1694 :-)

Bei der BoE wurde, wie oft genug beschrieben, bei der Gründung klassisches Staatspapiergeld geschaffen. Eine Parallele dazu wäre heute nur möglich (außer der Öffnung der ZBs, wie ad nauseam diskutiert), wenn der Staat sich eine zusätzliche ZB schaffen würde, die "Noten" an ihn netto ausgibt.

Diese Noten könnten zwar zunächst 1 : 1 zum legal tender "Euro" ausgegeben werden, würden aber rasch ein Disagio erhalten, wie alles Staatspapiergeld stets einen Abschlag gegen legal tender erhalten hat und schließlich in der Regel (Ausnahmen gibt's auch, aber dann wurde die Ausgabe von Staatspapiergeld eingestellt und zum aktuellen Kurs in legal tender abgewickelt) als Nonvaleur verschwand.

Über die Geschichte der sog. "Doppelwährungen" muss ich einem Experten wie Dir keinen Vortrag halten. Auch das hochgeschätzte Silber kam mit einem gewaltigen Abschlag gegen legal tender in dem Moment daher, als es unterm Goldstandard nicht mehr legal tender war.

Umgekehrt war's um 18. Jh. in England, wie bereits beschrieben anhand der Proklamation von Charles II. von 1661 (lange vor der Gründung der BoE), die den Preis von neuen Goldmünzen gegen Silber (legal tender) hinaufsetzte und den Goldexport, egal in welcher Form, unter schwere Strafandrohung stellte.

Ich kann nicht verstehen, warum immer wieder das heutige legal tender mit dem pickelharten Mechanismus Rückzahlung mit Staatspapiergeld (keine Rückzahlung) verwechselt wird.

Jeder, der sich heute in legal tender verschuldet, kann zwar damit durchaus die Preise in die Höhe treiben: alle kaufen einfach alles auf Kredit. Was aber nur vorübergehend möglich ist (credit bubble) und nicht für immer, da sonst niemand mehr bezahlen müsste (in ready cash als täglich fällig legal tender). Wenn die Kredite fällig werden, kann man sie zwar noch "prolongieren" (was aber keinerlei Push mehr bringt), aber das macht das Problem später nur größer. Und nach der credit bubble folgt der credit bust.

The higher the top the deeper the drop.

Dass der Staat längst in der Prolongationsphase steckt und mit weiteren Krediten (die auf Verlängerung der alten hinauslaufen) nichts mehr "pushen" kann, sieht eigentlich jeder.

Der Staat kann zwar legal tender (!) "schaffen", indem er irgendwas dazu erklärt (plus Monopolisierung desselben). "Geld schaffen" aber kann er nur, indem er das oder ein weiteres legal tender selber herstellt - als Staatspapiergeld (Nettogeld ohne Termin, wie z.B. Scheidemünzen).

Dieses endlich einmal auseinander zu halten, wäre hilfreich.

Danke + Gruß!