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Warum Steuerstaaten immer wieder scheitern müssen

Geschrieben von dottore am 10. März 2004 13:33:24


Hi,

JoBar hat uns auf die hübsche Schmonzettensammlung zur Steuergeschichte hingewiesen.

Dazu einige grundsätzliche und dann spezielle Anmerkungen, das Römische Reich betreffend.

1. Interessanterweise existiert keine durchgeschriebene Steuergeschichte - weder eines Landes noch gar weltweit. Letztlich existieren nur Samlungen von Kuriosa, auf die auch in dem betreffenden Stück abgehoben wird (was es deshalb nicht schlecht macht). Von Lotz haben wir zwar ein dreibändiges Handbuch der Finanzgeschichte und auch das "Mit dem Zehnten fing es an..." (Beckh-Verlag), aber auch darin finden wir keine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Zwangsabgaben und ergo mit den Staatsgrundlagen selbst.

Auch moderne ökonomische Untersuchungen, etwa die Arbeiten von Mancur Olson, beschränken sich darauf, irgendwelche "Grenzen" anzugeben, bis zu denen die Zwangsabgaben "noch gut" sind und dass es insgesamt "schlecht" wird, wenn diese Grenzen überschritten werden (z.B. bei Olson das Beispiel der chinesischen Warlords etc.). Auch Art Laffer gehört in diese Kategorie, dessen Modell ja letztlich auf eine Staatseinnahmenmaximierung hinaus läuft, wenn nur "richtig" an den Steuersätzen selbst herumgefummelt wird.

Überdies zieht man sich auf die "Steuerlastquote" zurück, die "so hoch" ja nicht sei (vgl. BRD mit ca. 25 %) und übersieht dabei das Phänomen des Vorabbezugs von Zwangsabgaben, das durch die Zession später erwarteter Steuereinnahmen an Staatstitel-Halter entsteht. Und Staatssschulden werden dann vom mainstream (siehe dazu auch ein Posting vor kurzem) als "irrelevant" betrachtet, weil mit den Schulden zugleich auch Guthaben "vererbt" würden, Staat und Bürger also quasi ein Nullsummenspielchen betreiben. Warum man dann nicht vorwiegend, wenn nicht gar ausschließlich mit Staatsanleihen arbeitet und Steuereinnahmen vernachlässigt, wird nicht weiter ausgeführt, obwohl es doch "rein rechnerisch" ganz toll wäre.

Was wir von der Finanzgeschichte (wenn auch immer nur zu historisch verankerbaren "Krisenzeiten", wo sich dann die Probleme überschlagen) lernen ist eine endlose Kette von Zahlungsproblemen des Staates, vgl. nicht nur als Klassiker die Französische Revolution oder den Untergang der Weimarere Republik, sondern schon den davor liegenden Ablauf der englischen Revolution, in deren Verlauf der bankrotte Herrscher Karl I. sich beim einberufenen und aufgelösten und wieder einberufenen Parlament bedienen wollte und schließlich seinen kostbaren Kopf verlor. Auch an Ibn Khaldun, der hier ebenfalls schon diskutiert wurde, sei zu erinnern und seine Beobachtung, dass alle Dynastien mit geringer Steuerlast starten, um dann mit maximaler Steuerlast zu scheitern.

2. Aus dem obigen Link erfahren wir auch einiges zur römischen Steuergeschichte, aber eben nicht alles. Die Ausführungen zur Kaiserzeit ab Augustus sind mangelhaft, weshalb hier nachgeholt werden soll.

Wie geneigte Leser wissen, läuft die "Machttheorie" darauf hinaus, dass ein Machtsystem sich nur halten kann, solange es seine Kosten externalisieren kann (vgl. für den Fall Athens die Ausführungen von Uwe Wagschal, 2000), was aber über kurz oder lang zur Internalisierung führt (aus Tribut wird Steuer) und was dann unausweichlich im Bankrott endet. Der kann gestretcht werden, wie wir wissen, sei es durch Münzverschlechterung bzw. durch sich immer höher aufschaukelndes Schuldenmachen. Postings dazu noch und noch.

Nun aber zum Rom der Kaiserzeit.

Augustus konnte sich noch extern bedienen (Ägypten), was aber vorbei war, als dies dem Reich eingegliedert worden war. Schon Tiberius hatte eine deflationäre Depression zu stemmen, die in dem bekannten Crash um anno 30 endete.

Fresh Money kam nach der Eroberung Jerusalems und Hebung der dortigen Tempelschätze durch Titus, danach wieder Ebbe, man denke an den Bankrott Domitians und die verzweifelten Besteuerungsversuche Nervas, bei dem bekanntlich jeder sich ausziehen musste, damit Beschneidung (und ergo eine Sondersteuer) feststellbar würde.

Der nächste Schub (und zugleich der letzte) war dann die Eroberung Dakiens (Rumänien) und die Behebung der dortigen Goldschätze durch Trajan. Damit war dann Ende vom Gelände und der römische Machtstaat ging stetig nieder. Dabei sind Septimius Severus und Caracalla (198-217) Schlüsselfiguren. Ihr Machterhalt verschlang gigantische Summen. Schon Septimius musste den Sold der Truppen verdoppeln und von Caracalla berichtet Cassius Dio: ""Ließ doch der Kaiser oft das Wort fallen: 'Kein Mensch außer mir sollte Geld besitzen, damit ich es den Soldaten schenken kann'."

An Germanenstämme wurde bereits Schutzgeld bezahlt und die Steuereintreibung wurde immer rigoroser, wobei auf neu und altbewährte Mittel zurück gegriffen wurde:

- Konskriptionen (Einziehung der Vermögens der "Reichen", die der Einfachheit halber auch gleich beseitigt wurden).

- Wennn in einem Testament unliebsame Namen auftauchten (z.B. der des der "damnatio memoriae" anheimgefallenen Geta), würde das gesamte Erbe eingezogen.

- Der Kaiser verlangte von den Städten kostenlose Leistungen (z.B. Infrastruktur), die diese auf ihre Bürger umlegen mussten.

- Ein "Kranzgold" wurde eingezogen - Belohnung des Kaisers für seine "immerwährenden Siege".

Der entscheidende Fehler unterlief dem Kaiser jedoch mit der "Constitutio Antoniana" im Jahre 212, die zwar die Erbschafts- und Freilassungssteuer verdoppelte (auf 10 %), aber - um die Besteuerungsbasis zu "verbreitern" - allen Bewohnern im Reich das Römische Bürgerrecht verlieh, womit die Staatseinnahmen endgültig internalisiert waren.

Damit begann automatisch der unaufhaltsame Niedergang, da jedes Zwangsabgabensystem automatisch ansteigen muss (Machterhaltungs-, Bevölkerungserhaltungs-, alias "Sozial"-, dazu Verrentungs- und Bürokratiekosten steigen exponentiell), damit die Wirtschaftskraft schwächt und schließlich vollends lähmt.

Immerhin konnten die Imperatoren, jetzt zu "Soldatenkaisern" mutiert, noch ein grandioses As aus dem Ärmel ziehen. Sie prägten ab 214/5 sog. "Antoniane" (die lange Zeit als rätselhaft geltenden Doppeldenare), die auf eine Abwertung um 25 Prozent hinausliefen. Aus 16 Einzeldenaren wurden 10 Antoniane geprägt, die ihrerseits einen Wert von 20 Denaren hatten. Nebenbei ein Beitrag zur "Schwundgeldgeschichte" - die Nummer mit den Brakteaten (Mittelalter) war so sensationell neu also nicht.

Gleichzeitig wurde natürlich der Silbergehalt der Denare ununterbrochen verschlechtert und lag schon 217 um fast 10 % (0,3 aus 3,49 g) unter dem des Zeitraums davor. Die Geschichte der weiteren Münzverschlechterung ist bekannt. Zum Schluss wurde die Münzen nur noch in Silbersud getaucht, um ihnen des Aussehen eines "Silberstücks" zu geben. Auch an den bekannten Preisstopp von Diokletian kurz nach 300 ist dabei zu erinnern. Geholfen hat alles nichts, gestretcht sehr wohl.

Nun ist eine solche Münzverschlechterung zum Stretching heute nicht mehr möglich, da Edelmetall nicht mehr als GZ existiert. Es darf also mit Spannung erwartet werden, was den hochmögenden Herren diesmal einfällt, um die sich aufgrund immer weiter erlahmender Wirtschaft in einem immer weiter steigenden Abgabenzwangssystem verschärfende Finanzlage noch zu halten.

Die Steuereinnahmen gehen tendenziell zurück zu Deutschland siehe Spiegel, S. 69), was die Haushaltslöcher vergrößert, was wiederum neue oder höhere Steuern erforderlich macht (bzw. als Variante die Steuereintreibung verschärft), was aber das Wirtschaften noch mehr erschwert und schwächt. Immer höhere Staatsschulden vergrößern nur den bekannten Verrentungseffekt und schwächt nicht minder.

Somit bleibt es also bei der alten Frage: Wann, wie und unter welchen politischen Begleitumständen gehen die Notenbanken auf? We stay tuned.

Schönen Dank fürs Lesen + Gruß!