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Tobin-Steuer, Goodfriend, "carry tax", Freigeld usw. - wo kommt's wirklich her?

Geschrieben von dottore am 31. Oktober 2003 11:49:31


Hi,

nil sine causa - also muss man immer weiter suchen. Bis man möglichst die Quelle selbst entdeckt.

Es geht um die Besteuerung von Geld, Guthaben bzw. Geldtransaktionen, was in allen möglichen Varianten die Runde macht. Namen wie Gesell, Fisher, Keynes, Tobin, Goodfriend, usw. sind zu nennen. Allen gemeinsam ist, dass sie irgendeinen "Fehler" ausmerzen wollen, der allerdings erst dann als solcher als "endlich entdeckt" bezeichnet werden kann, nachdem sich ökonomische Schieflagen aller Art zeigen (Arbeitslosigkeit, Absatzprobleme, Spekulation, Verteilung, usw.).

Probleme sind also zu sehen und zu spüren, und da sich diese Probleme "monetär" zeigen (vulgo: "Geld fehlt") versucht man sie anzugehen, indem man am "Geld" selbst herumzudoktern versucht. Dass "Geld" Folge und nicht Ursache des Problems ist, wird geflissentlich übersehen, wie schon das berühmte Beispiel der Brakteaten zeigt, einem "Schwundgeld" des Mittelalters.

Dabei mussten jeweils alte Münzen in neue umgetauscht werden, da nur mit "neuen" Münzen Steuern bezahlt werden konnten. Die Einzugsstelle der alten und Ausgabestelle der neuen Münzen war freilich die selbe Instanz, die auch die Steuern einforderte, so dass sich das System als eine Einnahmequelle der Obrigkeit entpuppt, die ihrerseits nicht Einnahmen "als solche" haben wollte, sondern aufgrund bestehender Überschuldung und Finanznot haben musste. Auf das Beispiel des hemmungslosesten "Brakteateurs", den Bischof von Magdeburg, wurde schon ausführlich verwiesen.

Ähnlich war es beim gerühmten Wörgler "Freigeld", das nicht von der Bevölkerung, sondern vom Bürgermeister initiiert wurde, der einer zahlungsunfähigen Gemeinde vorstand und von der Gemeinde "Noten" emittieren ließ, die - da mit Annahmegarantie durch die Gemeinde zur Zahlung von (rückständigen) Steuern versehen - der Gemeinde halfen, ihrerseits Güter und Leistungen zu kaufen, woraufhin die Halter der Noten außerhalb der Gemeinde diese flugs an sie returnierten, was zu der bekannten "Hochrechnng" führt, dass sich mit Hilfe dieses Gemeindegeldes die "Umlaufgeschwindigkeit" dieses Geldes bis ins Fabelhafte hätte steigern lassen, wie Oldy nicht müde wird, immer aufs Neue zu erklären.

Kurzum, alle Voschläge, ob sich deren Initiatoren dessen bewusst waren oder nicht, liefen und laufen im Endeffekt nicht darauf hinaus, dass die "Wirtschaft besser läuft", sondern dass sich aus einer "besser" laufenden Wirtschaft eben auch dank der damit verbundenen "Verbreiterung der Besteuerungsbasis" (Hans Eichel) in Summa höhere Abgaben abpressen lassen. Die Wirtschaft soll nicht "als solche" florieren, sondern mit ihrem Freuden-Flor dazu beitragen, dass sich die Finanzprobleme der Macht selbst verflüchtigen, zumindest vertagt werden.

Während sich die Schwundgeldvorschläge heute eher auf arkane Zirkel beschränken (der erste Vorschlag stammt übrigens nicht von Gesell selbst, sondern von einem Kapuziner aus Wien, wie schon einmal berichtet) und das Wort "Steuer" vermeiden, indem es durch das Wort "Gebühr" ersetzt wird (Umlaufgebühr), lassen andere Vorschläge die Maske fallen und bezeichnen das, worum es ihnen geht, offen als Steuer (Nobelpreisträger Tobin) bzw. als "carry tax".

Dass diese Vorschläge inzwischen auch politische Wucht erhalten, zeigt ein Blick auf die Web-Seiten etwa von attac oder ver.di, wo vor allem die Tobinsteuer als Remedium für sämtliche Weltgebrechen bejubelt wird.

Nach intensiver Recherche bin ich nun auf die "Urform" (es sei denn, es gibt noch ältere?) dieser Steuer (Gebühr), jedenfalls in der neueren Zeit gestoßen. Sie wurde 1863 von den Staaten der Konföderation eingeführt. Dies geschah, als sich im Bürgerkrieg (1861-65) das Blatt nach Gettyburg und Vicksburg zugunsten der Nordstaaten (Union) gewendet hatte.

Um die verheerende finanzielle Lage der Südstaaten zu verbessern, die sich durch den Verkauf von sog. "cotton bonds" nicht mehr verbessern ließ, da diese nicht mehr zu platzieren waren, beschloss die Konföderation ans "Geld" zu gehen.

Auf alles Geld, ob im Publikum oder als Depositen wurde ein Steuer in Höhe von 8 Prozent gelegt, außerdem noch eine 1-Prozent-Steuer auf "Kapital".

Trotz heftiger Proteste (vgl. den Druck, 3 Seiten, "To the Honorable The Senate and House of Representatives of the Confederate States of America", Savannah 1864) wurde diese Steuer 1864 erneuert. Das Ergebnis war erst recht verheerend und mündete in eine klassische taxflation, bei der allein die Banken, die das Geld nicht ins Publikum "zurückpressen" konnten, 64 Prozent ihrer Aktiva einbüssten - ein Schlag, von dem sie sich nicht mehr erholen sollten. Weshalb das amerikaniche Finanzzentrum ein für alle Mal nach Norden wanderte und sich bis heute bekanntlich in New York aufhält.

Dennoch hatten die Amerikaner diesen Vorgang nicht vergessen. In der Wirtschaftskrise 1930 ff. hoben sie nicht nur ab, weil zahlreiche Banken fallierten, sondern auch, um einer Besteuerung ihrer Depositen vorzubeugen. Dies wiederum erkannte kein geringerer als F.D. Roosevelt, der an seinem zweiten Tag im Amt bereits den bekannten "Bank Holiday" ausrief: "A Proclamation, whereas have been heavy and unwarranted withdrawals of gold and currency from our banking institutions for the purpose of hoarding..."

Die Besteuerung erfolgt dann doch, wie ebenfalls bestens bekannt. Das Gold im Publikum wurde per Gesetz diesem entzogen und ihm verboten, weiterhin Gold zu halten. Konnte man vorher für ca. 20 Papierdollar ("legal tender") eine Unze Gold kaufen, musste man hinfort (auf dem Umweg über das Ausland natürlich) 35 Papierdollar hinblättern. Um an diese 35 Dollar zu kommen, musste man natürlich mehr leisten, arbeiten, Güter erstellen als zuvor, da man mit weniger Leistung und Gütern an die selbe Unze (31,1 g) zu kommen.

Was immer gern als "Goldaufwertung" bzw. "Dollarabwertung" bezeichnet wird war bei Licht besehen nichts anderes als eine Goldsteuer, alias Goldgeld-Steuer, auch wenn diese nur ein Mal erhoben werden konnte.

So schließt sich immer wieder der Kreis: Unweigerlich gerät die Staatsmacht trotz immer weiter steigenden Abgabenbelastung in zwangsbedingte Finanzkrisen, wobei sich der Diskont künftiger Abgaben und deren damit logischerweise verbundene Zession dieser Abgaben an "Kapitalisten" und dem damit automatisch verbundenen Verrentungseffekt ("arbeitslose Einkommen", vgl. "Krisenschaukel", u.a.) in allgemeiner Stagnation niederschlagen.

Da sich das dabei entstehende "Geld" bzw. "Geldforderungen" logischerweise irgendwo "befinden" muss, aber dort nicht still hält, sondern sich in der "Finanzsphäre" immer aufs Neue austobt ("bubbles") diesen durch das Abgabensystem (plus dessen Diskont) überhaupt erst geschaffenen Umstand ("Missstand") durch eine weitere Steuer oder Gebühr zu "bekämpfen".

Dabei geschieht indes nicht anderes als den Teufel durch den Beelzebub auszutreiben. Es ist nicht auszuschließen, dass wir auch diesen satanischen Tanz demnächst wieder bestaunen können. Dass auch dieses Schaustück wieder mit einer taxflation enden wird, versteht sich von selbst.

Ich bitte, dieses Posting zu den Akten zu nehmen. Denn nichts ist unangenehmer als in Gelddingen von der Staatsmacht überrascht zu werden. Geschichte wiederholt sich bekanntlich, wenn auch in immer wieder erstaunlichen Varianten.

PS: Sollte es zu einer "currency tax" à la 1863/64 kommen, wäre auch ich mit meinem Latein am Ende. Gold und e-Gold würde dann ebenfalls à la 1933 ff. besteuert, anderes "Kapital" (Grundstücke können nicht fliehen) nicht minder. Die Auswege werden also immer enger und kleiner. Vermutlich wird auch der klügste Kopf, sofern er über irgendetwas verfügt, das sich noch besteuern lässt, in der Gosse landen und muss sich in die langen Schlangen der Sozialhilfeempfänger einreihen oder bei irgendwelchen Nahrungsmittelbezugsstellen.

Also "gut" schaut's nicht aus... Ich bitte, dies nicht wieder als eine der "üblichen Miesepetereien" zu interpretieren. Und vielleicht dreht das "System" ja noch eine oder mehrere weitere Runden, was niemand mehr begrüßen würde als ich selbst (so viel Egoismus darf noch sein). Das prae-lethale Sich-Aufbäumen ist uns ja auch vertraut. Dennoch muss ich immer wieder darauf hinweisen, dass das "System" moribund ist - eben weil es ein Zwangssystem der Staatsmacht ist und Zwang der menschlichen Natur widerspricht.

Falls ich jemand schon wieder mal schlechte Laune gemacht haben sollte, bitte ich um Entschuldigung.

Schönen Tag noch + Gruß!