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Re: Eine Formalie und eine Frage zur "Bankrott-Formel"

Geschrieben von dottore am 14. April 2003 13:01:47


Als Antwort auf: Eine Formalie und eine Frage zur "Bankrott-Formel" geschrieben von thomas am 14. April 2003 00:50:18:

>Hier wurde kürzlich die Formel reingestellt, nach welcher Zeit zwei exponentielle Prozesse (mit unterschiedlichen Anfangswerten und Steigerungsraten) einen Gleichstand erreichen. Soweit klar. >BIP ist aber eine Stromgröße, und Schuldenstand ist eine Bestandsgröße.

Hi Thomas,

ob Strom oder Bestand spielt keine Rolle, da es auf den jeweiligen Zuwachs ankommt. Wächst also die Staatsverschuldung (= Zuwachs in %) schneller als das BIP (= Zuwachs in %) muss es zum Staatsbankrott kommen, da sich der Staat nicht zu mehr als 100 % des BIPs per Steuern auf das BIP bedienen kann, um die gleichzeitig fälligen Zinsen aus der bereits existenten Staatsverschuldung zu bedienen, was bedeutet: er kann nicht mehr als sämtliche Einkommen zu 100 % besteuern.

Wollte der Staat dann nicht mehr die Stromgröße BIP besteuern, sondern auch die Privatvermögen der Bürger an sich ziehen (Besteuerung der Bestandsgröße "Volksvermögen" ohne Staatsvermögen) muss der das Privatvermögen konfiszieren. Er kann es dann aber nicht vermarkten, da die Bürger, die ihr sämtliches Einkommen zu 100 % an den Staat abgeliefert haben, kein Einkommen mehr haben, um aus diesem das jetzt beim Staat liegende Vermögen diesem abzukaufen, damit der Staat wiederum Kauferlöse erhält, mit denen er die Zinsen auf seine Staatsschuld bezahlen könnte.

Es muss immer erst BIP entstehen, bevor es besteuert werden kann, da das BIP die Besteuerungsbasis ist (Objektsteuern wie Grund und Boden bzw. Vermögen ausgenommen). Da BIP seinerseits aber erst entstehen kann, nachdem es den Staat gibt, der das Eigentum sichert (Kapital, Volksvermögen) und der die Kontrakte erfüllbar macht bzw. Vollstreckug in Schuldner bei nicht erfüllten Kontrakten ermöglicht, ist der Staat immer zur Vorfinanzierung seiner eigenen Aktivitäten gezwungen, bevor es zu Aktivitäten innerhalb der von ihm regierten Volkswirtschaft kommen kann (vgl. Murray/Nagel, The Myth of Ownership u.a.). Deshalb ist jeder Staat in einem Kredit- und Kreditgeldsystem zum Untergang verurteilt.

Im Metallgeldstandard war dies anders, da der Staat selbst die "Ware Geld" produzieren konnte (Bergbauregal) bzw. die Privaten dieses Warengeld produzieren konnten, wobei der Staat im Idealfall von den Einnahmen aus seinem Geldmonopol leben konnte (Nominal bzgl. Herstell- oder Ankaufskosten), ohne sich verschulden zu müssen.

Ohne erfüllte Kontrakte, z.B. Kaufkontrakte ist BIP nicht messbar. Ins BIP gehen zwar gefertigte, aber noch nicht vermarktete Größen ein, die aber vor ihrer Produktion bereits Kontrakte beinhalten, z.B. Lohn- oder Lieferantenzahlungen.

Nehmen wir an, im BIP wurden sich nur produzierte, aber nicht vermarktete und deshalb auch nicht verkonsumierte Größen addieren, würden z.B. sämtliche Verbrauchsteuern (MWSt., Mineralölsteuer, Tabaksteuer usw.) schlagartig wegfallen, was die Bedienung der Staatsschulden per se unmöglich machen würde.

Die Bestandsgröße "Staatsschulden" selbst sagt nichts aus, da hast Du völlig Recht. Es kommt einmal darauf an, ob die Staatsschulden ein Rückzahlungsdatum tragen (dann muss, sofern nicht aufgeschuldet wird, Zahlung durch Entnahme aus der Stromgröße BIP erfolgen). Zum zweiten kommt es auf die Zinszahlungen an, für die das Gleich gilt.

Würden Morgen sämtliche Staatsschulden rückzahlungsfrei und unverzinslich gestellt, wären die Staatstitel sofort ohne Kurs (fallen auf Null) und das, was die Käufer von Staatspapiere dem Staat aus ihrem laufenden Einkommen (Stromgröße BIP) genommen (statt es verkonsumiert) zu haben, wäre eine nachträglich erhobene Steuer in Höhe der Staatsverschuldung.

Woraus folgt, dass jeder Staatsbankrott nichts anderes ist als eine Ex-Post-Steuer in Höhe von 100 % (der Summe der aufgelaufenen Staatsschuld) auf die Zeichner bzw. jeweiligen Halter dieser Titel.

Dieser Staatsbankrott läuft bereits, wie allenthalben zu beobachten, als Teil-Staatsbankrott in den Bereichen, wo der Staat seine von ihm eingegangenen Verpflichtungen nicht zu voll erfüllt: Die Besteuerung von "Kapitaleinkünften" aus Staatsanleihen gehört hierher, die Besteuerung von Beamtengehältern, die Kürzungen der Altersrenten (erst brutto-, dann nettolohnbezogen), die Verschiebung der Auszahlung von Altersrenten (siehe laufende Debatten), die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, usw.

Der Staat wird im Laufe dieses Prozesses seine gesetzlichen Leistungen immer stärker kürzen und auch jene Leistungen, die von ihm "erwartet" werden (Straßenbau, Ausgaben für Bildung, für äußere und innere Sicherheit usw.), und seine Zahlungen am Ende gänzlich einstellen, da er sich aus dem laufenden BIP nicht mehr in dem Maße, das dazu erforderlich wäre, bedienen kann.

Den Prozess der allgemeinen "Wachstumsschwäche" (bis hin zu Rezession und Depression) beschleunigt die steigende Höhe der Staatsverschuldung, da die Zeichner von Staatspapieren damit Staatskonsum ermöglichen (der Staat bildet keine Wertberichtungen auf seine Investitionen, die er durch entsprechend höhere Steuereinnahmen in "Vorhalte" nehmen müsse, siehe frühere Debatten), eine Wirtschaft aber niemals durch Konsum, sondern nur über private Investitionen "wachsen" kann. Auf "höhere Wachstumsraten" zu warten ist ebenso müßig wie darauf, dass der Staat das Problem seiner Verschuldung noch einmal in den Griff bekommen könnte.

Der Staat, der Finanzschulden hat, aber selbst nichts leistet, um diese Finanzschulden bedienbar zu halten, indem er in Konkurrenz zur Privatwirtschaft und nach den Regeln der Bilanzierung (und nicht Kameralistik, also einer einfachen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) seine Produktion vermarktet, ist dem finanziellen Untergang geweiht.

Die "Bankrottformel" gilt nicht nur für den Staat, sondern für jeden Privatbetrieb genauso: Steigen die Schulden (Bestand) schneller als der Umsatz (Strom) geht der Betrieb in berechenbar endlicher Zeit in Konkurs, da er zum Schluss seinen gesamten "Flow" ("Cash-flow"), also das, was laufend ihm zufließt benötigt, um die aus seinem Bestand (Schulden) zum Abfluss (Flow hier: Zinsen, Tilgung) erforderlichen Flow-Summen zu bewältigen.

Wäre es anders, würden Schulden niemals und nirgends eine Rolle spielen. Dann müssten sie jedoch ohne Termin (weder Zinsen noch Tilgung) auf die Welt kommen. Es wären dann keine Schulden, sondern Geschenke.

>Gleichstand kann es hier schon wegen der "Einheiten" gar nicht geben, sowenig wie Strecken und Geschwindigkeiten verglichen werden können. >Es wird erst ein Schuh draus, wenn die jährliche Netto-NEUVERSCHULDUNG zum BIP in Relation gesetzt wird. Oder?

Das kann man selbstverständlich auch so rechnen. Aus der Netto-Neuverschuldung ergibt sich logischerweise aber eine Erhöhung des Schuldenstandes insgesamt. Es kommt also nur auf die Zuwachsraten ab, lt. "Formel" eben auf w bzw. z.

Gilt z > w führt kein Weg am Bankrott vorbei. Da seit Einführung des Kreditgeldsystems und bei (siehe oben) der Tatsache, dass sich der Staat erst finanzieren muss, bevor es zur Erstellung von BIP durch die Wirtschaft kommen kann und das BIP in dem Kreditderivat GZ gemessen wird (und nicht in real prouzierten Einheiten wie z.B. beim Metallgeldstandard) ist ein w > z (z der Staatsschulden) denkunmöglich.

Dies belegt die historische Erfahrung zur Genüge: Die Staatsverschuldung und die Staatsquote (diese sogar ohne die Staatsverschuldung, die dazu gerechnet werden müsste, da sie aus vertagten Abgaben an den Staat, also einem Teil der Staatsquote besteht) ist ununterbrochen gestiegen. Sowohl absolut als auch relativ zum privaten Sektor.

Der Staat ist aufgrund seines Trippel-Monopols (Macht, Abgaben, Geld) ein Gebilde, das zunächst das arbeitsteilige Wirtschaften erzwingt, da er nicht freiwillig geleistete Abgaben erzwingt und der dann über den Vorgriff auf diese Abgaben (Staatsverschuldung) das Wirtschaften und damit seine Besteuerungsbasis selbst wieder abwürgt.

>Außerdem erkenne ich hier nicht den Zusammenhang zum Staatsbankrott. Müsste die Frage nicht eher lauten, wann die Staatsquote 100% erreicht? Dafür müssten die exponentiellen Prozesse "BIP" und "öffentlicher Haushalt" in Relation gesetzt werden, dann wäre es für mich plausibel.

Völlig richtig. Im Laufe dieses Prozesses kommt es bei Zunahme der "Staatsquote" von ca. 1,3 % etwa im Jahr 2050 zu einer Staatsquote von 100 %. Würde dann noch produziert, würde ausschließlich für den Staat produziert und wir hätten ein System der vollsozialistischen Zwangsarbeit.

Vielleicht hilft das etwas weiter.

Gruß!