Hallöchen Silke,
hier mein vorläufiger Senf zu deiner durchaus komplexen Frage:
Was ist mit der These von W. Sinn?: QE=aus verbrieften F. -> Buchforderungen. Könnt ihr lieben Fachleute bitte kurz etwas zu dieser beim DEHOGA-Branchentag 2016 vorgestellten These ab 38:20 schreiben.
"Aus verbrieften Forderungen mit Zins, Pfand und Termin werden Buchforderungen ohne Zins und Termin gegen nationale ZB's im Eurosystem ...
Die These von W. Sinn halte ich für irreführend, mindestens aber für voreilig. Hier meine längere Begründung, deren Ergebnis allerdings erst am Ende klar erkennbar wird:
Also, mit "verbrieften Forderungen mit Zins, Pfand und Termin" können an dieser Stelle nur Kreditverträge wie z.B. Staatsanleihen gemeint sein, während "Buchforderungen ohne Zins und Termin" wohl die Target2-Salden bedeuten sollen. Das so zu formulieren (wie von Prof. W. Sinn), halte ich zwar nicht für ganz falsch, jedoch trotzdem für irreführend oder zumindest für voreilig. Es brennt nämlich nirgendwo und niemand. Die Target2-Salden sind weit weniger gefährlich als die übrigen Bestandteile des ganzen Währungs- und Bankensystems in der Eurozone und außerhalb. Warum:
Target2-Salden sind ZAHLUNGsbilanzen über tatsächlich erfolgte grenzüberschreitende Zahlungen. DE hat tatsächlich viel mehr Eurogeld erhalten, als abgehend gezahlt worden ist. Den zahlungenleistenden Banken und Nichtbanken im Rest der Eurozone wurde Liquidität tatsächlich abgebucht; den Begünstigten in DE tatsächlich gutgeschrieben. D.h. Target2-Salden sind Bilanzposten, welche ausschließlich die Zentralbanken untereinander betreffen, sonst niemanden ...
Wenn ZBGeld in Euro über die Grenze geht, dann spielt sich das zunächst auf den Passivseiten der Bilanzen der beiden beteiligten ZBanken. Was dabei nur noch fehlt, ist eine entsprechende Bewegung auch auf der Aktivseite der beiden Bilanzen .. hier müssten irgendwelche Aktiva, insbesondere Staatsanleihen des zahlenden Landes, mit auf die Reise gehen, um die Aktiv- und Passivseiten im Gleichgewicht zu halten. Dies unterlassen die nationalen ZBanken aber, weil sie sich als Filialen einer Großbank (EZB) verstehen. Diese Unterlassung wird durch eine "Forderung .." bzw. als "Verbindlichkeit ggü dem Rest der Eurozone (EZB)" in den nationalen ZB-Bilanzen ersetzt .. also das Target2-Saldo ersetzt. Gefordert wird nun das nachträgliche, "spätere" Nachschieben von Staatsanleihen seitens der ehemals zahlenden Länder. Dies würde von Zeit zu Zeit zu einem regelmäßigen Hin- und Herschieben von Staatsanleihen zwischen den nationalen ZBanken führen, um die Salden damit zu senken. Dies wurde bisher unterlassen, weil es wenig bis gar keinen Sinn macht. Warum:
Angenommen, es würden immer auch Staatsanleihen, zusammen mit dem Cash, mit auf die Reise über die Grenze gehen. Diese würden dann anstelle der (positiven) Target2-Salden aktiviert. Es würde niemandem etwas bringen, denn: Wenn eine Staatsanleihe, die sich im Besitz einer ZB befindet, von dem emittierenden Staat termingerecht bedient wird, verschwindet nicht nur diese, sondern auch das Cash im Nirwana. Heißt, die ZB muss das Geld ausbuchen und es verschwindet. Sie kann und darf damit nichts anfangen. Also: Target2-Salden sind Forderungen/Verbindlichkeiten der ZBanken lautend auf Staatsanleihen der übrigen Länder zwecks Deckung von Cash (ZBGeld), welche ihrerseits zwar eine Forderung/Verbindlichkeit auf Cash sind, aber dieses Cash muss bei erfolgter Tilgung restlos ausgebucht werden. Das ganze betrifft also niemanden außerhalb der ZBanken.
Diese Beschreibung der adäquaten Problemlösung ist zwar sinngemäß richtig, formal buchungstechnisch betrachtet aber noch nicht vollständig. Ich belasse es dabei, da ich eine optimale bilanzielle Abwicklung noch nicht gefunden habe. Die Banker der EZB vermutlich auch nicht, weshalb es eben diese Target2-Salden gibt. Das Tilgen von Staatsanleihen über die Landesgrenzen im Euroraum hinweg ist ein sehr kniffliger bilanzieller Vorgang, da es sich nicht um eine Fremdwährung handelt (z.B. USDollar), die anstelle von Wertpapieren aktiviert werden kann. Der Euro kann innerhalb der Eurozone von keiner nationalen ZBank aktiviert werden - er befindet sich immer nur auf der Passivseite. Das geht aber und NUR nach einem Austritt von z.B. DE. Die BoE, SNB u.a. können das selbstverständlich tun. NACH einem Austritt z.B. von DE wäre die Tilgung aktivierter fremder Staatsanleihen kein bilanzielles Problem mehr, da der eingenommene Euro dann als Fremdwährung (anstelle des Anleihepapiers) aktiviert werden kann.
ZWISCHENFAZIT: Solange niemand aus der Eurozone aussteigt, kann durch Target2-Salden rein monetär! niemand zu Schaden kommen. Realwirtschaftlich zeigen sie jedoch bedenklich schädliche Implikationen (Ungleichgewichte), welche zum Schaden für die Stabilität aller! Beteiligten gereichen.
die beim Ausscheiden des Staates aus der EU einfach insolvent werden können (= auf € lautende Forderungen sind dann futsch) und in nationaler Währung neu starten können."
Im Falle des Austritts eines Landes aus der Eurozone entsteht durchaus ein recht komplexes bilanzielles sowie monetäres (Cash-) Problem für beide Seiten, d.h. sowohl für die restliche Eurozone (EZB) als auch für die ausscheidende ZBank. Dies schließt zudem gleichzeitig eine Währungsreform sowie das legitime Anlegen einer Devisenreserve in Euro als Fremdwährung bei der ausscheidenden ZBank ein. Die vollständige korrekte Lösung nach meinem Gusto folgt gleich ...
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Zwischendurch sei angemerkt: Eine nationale, staatliche ZBank kann auch mit einem negativen Eigenkapital normal weiter arbeiten, da für sie keine üblichen Insolvenzregeln gelten. Sie kann sich selbst, allerdings nur mit Zustimmung des Parlaments als Gesetzgeber, sozusagen einen Überziehungskredit auf ihrem Eigenkapital-Konto gewähren. Sie kann also beliebig tief in negatives EK gehen. Sie könnte dann das negative EK allmählich durch die üblichen Zins- und Gebühreneinnahmen wieder auffüllen. So lange wäre sie aber nicht in der Lage, Gewinne an den Staat abzuführen .. was evtl. eine Erhöhung der Staatsverschuldung notwendig machte.
Weiter und alternativ: Eine staatliche ZBank, deren Eigenkapital gegen oder gar unter Null absinkt, kann vom Staat sofort und beliebig oft rekapitalisiert werden. Der Staat müsste dazu nur zusätzliche Verschuldung (Aktivseite) zu Gunsten des EK seiner ZB (Passivseite) aufnehmen. Das ist ohne weiteres möglich, sogar auf direktem Wege, d.h. ohne den Umweg über Kredite der Geschäftsbanken. Dazu müsste nur ein Sondergesetz vom Parlament beschlossen werden, um eine solche Ausnahme zu gewähren. Also, wenn der Gesetzgeber (Souverän) es nur will, dann kann weder er noch seine ZBank insolvent gehen .. unter gar keinen Umständen.
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Aber dies alles wäre gar nicht nötig. Meinem Verständnis nach gestaltete sich ein Austritt von DE aus der Eurozone genauso unspektakulär, wie es die Einführung des Euro und die Bildung der Eurozone war. Das hieße konkret folgendes:
__ 1) Alle Geldkonten sowie Konten mit Geldforderungen und -verbindlichkeiten bei allen Banken, inkl. aller Bücher und Bilanzen des Landes (DE), würden mit einem Schlag statt der Währung Euro den Namen der neuen Währung, z.B. Deutsche Mark (DEM) bekommen. An den Zahlen würde sich nichts ändern. Dies entspräche einem 1:1 Währungswechsel.
__ 2) Alles sich in DE bereits im Umlauf befindliche Euro-Bargeld behielte seine uneingeschränkte Gültigkeit. Die Banken würde selbstverständlich dieses Geld beim Wunsch in die neue Währung, bar oder unbar, umtauschen und an die BuBa weiterreichen. Sie bekämen dafür ebenfalls die neue Währung. Die BuBa würde dieses eingenommene Euro-Bargeld als Fremdwährung (Währungsreserve) auf ihrer Aktivseite bilanzieren.
__ 3) Nun bliebe nur noch das deutsche Target2-Saldo übrig. Was damit? Es sehe hier ganz klar einen sachlogisch begründbaren und völlig legitimen Weg: Die BuBa müsste von der EZB knallhart eine Nachlieferung von Staatsanleihen der Euroländer fordern, und zwar solche mit den kürzesten Laufzeiten und im Gesamtwert entsprechend dem deutschen Target2-Saldo. Diese fremden Staatsanleihen würde von der BuBa ganz normal anstelle des Saldos aktiv bilanziert.
__ 4) Als Alternative zu den geschuldeten Staatsanleihen aus der Eurozone könnte die BuBa auch Cash in Euro fordern. Die EZB bliebe der BuBa also gegenwärtig ca. 800 Milliarden an Euro-ZBGeld (oder ein Äquivalent in $US) schuldig .. zu liefern sofort oder beim Bedarf bzw. auf Abbruf.
__ 5) Ein Ausgleich zu Gunsten der BuBa könnte auch über die Konten der ZBanken bei der "Zentralbank der Zentralbanken", nämlich bei der BIZ in Basel/Schweiz erfolgen. Die BuBa erhielte dort auf ihrem Konto einen Guthabenzufluss, den sie in ihrer Bilanz anstelle des Target2-Saldo aktivieren würde.
Hieraus ist ersichtlich, dass das EK der BuBa durch den Austritt überhaupt nicht oder kaum berührt würde, sie erst recht nicht insolvent werden würde, und auch keine "Euros wären futsch" (wie Herr W. Sinn es behauptet). Im Gegenteil, durch die baldige Tilgung der erhaltenen Staatsanleihen aus der Eurozone bekäme die BuBa ein ordentliches Polster an Euro-Reserve auf ihrer Aktivseite, um damit inländischen, in die Eurozone Reisenden einen Geldumtausch (in Bar oder eCash) zu ermöglichen oder auch Auslandsüberweisungen inländischer Teilnehmer in die Eurozone zu finanzieren. Das wären zur Zeit ca. 800 Milliarden Euro-Reserve zusätzlich zu dem bereits im Inland eingenommenen Euro-Bargeld.
In welchen Euroländern bzw. in welchen dortigen ZBanken das EZB-Direktorium die von der BuBa geforderten Staatsanleihen einsammeln würde, wäre seine Sache .. vorzugsweise würde dies sicher in den Ländern mit einem negativen, d.h. passiven Traget2-Saldo geschehen. Denn die ZB-Bilanzen gerade dieser Ländern enthalten einen Überschuss an inländischen Staatsanleihen, was ja gerade die passiven Salden signalisieren. Dementsprechend würden die Target2-Salden in diesen Ländern sinken, was eine korrekte Wertberichtigung innerhalb der Eurozone wäre.
Fertig ist der Kuchen! Wäre gewiss für Hinweise auf etwaige Unstimmigkeiten dankbar.
Mit Gruß, Beo2