Wirtschaftlicher Abstieg der BRD versus Fachkräftemangel / Babyboomer in Rente. Steigt die Arbeitslosigkeit oder nicht?

Plancius, Dienstag, 30.04.2024, 20:52 (vor 17 Tagen)3866 Views
bearbeitet von Plancius, Dienstag, 30.04.2024, 20:57

Bis vor kurzem war es üblich, dass sowohl Industrie, öffentlicher Dienst und auch die großen Dienstleister ihr Personal, dass kurz vor der Rente stand, durch verschiedene personalpolitische Maßnahmen vor dem Regelrenteneintrittsalter in den Ruhestand verabschiedete.

Beliebte Maßnahmen waren wie folgt:

a) Vorruhestand

Dieses früher gern genutzte Instrument führte dazu, dass Arbeitnehmer weit vor dem Renteneintrittsalter in den Ruhestand geschickt wurden. In den 90er und 00er Jahren gingen die Leute in Großbetrieben der Chemischen Industrie und des Fahrzeugbaus zum Teil bereits mit 53 Jahren in Rente.

b) Altersteilzeit

Dieses Instrument kam nach dem Vorruhestand zum Einsatz. Hier ist es möglich, ca. 2 bis 3 Jahre vor der Regelaltersgrenze ohne Abzüge in Rente zu gehen.

c) Kündigung 2 Jahre vor Renteneintritt

In den Betrieben, die keine Altersteilzeit anbieten, die Beschäftigten jedoch trotzdem gern eher in Rente gehen möchten, wurden die betreffenden Arbeitnehmer im gegenseitigen Einvernehmen betriebsbedingt gekündigt. Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall noch 2 Jahre Arbeitslosengeld beziehen, ohne dass er in Hartz 4 fällt und damit gar kein Geld mehr bekommt. Nach 2 Jahren beginnt seine gesetzliche Rente, die durch die 2 Jahre Arbeitslosigkeit meist ein klein wenig geschmälert wird.

d) Rente vor 45 Beitragspflichtjahren mit Abzügen

In diesem Fall lässt sich der Arbeitnehmer mehr als 2 Jahre vor der Regelaltersgrenze (45 Beitragsjahre) kündigen, geht nach 2 Jahren Bezug von Arbeitslosengeld aber nicht in Hartz 4, sondern beantragt die gesetzliche Rente vor dem eigentlichen Rentenalter und erhält seine gesetzliche Rente mit Abzügen.

Nun hört und liest man jedoch immer mehr, dass viele Firmen in Rundschreiben an die Beschäftigten mitteilen, dass ab sofort Altersteilzeit oder frühzeitiges Kündigen im gegenseitigen Einvernehmen tabu sind. Ursache ist der eklatante Fachkräftemangel. Stattdessen wird den älteren Arbeitnehmern angeboten, auch nach Eintritt in die gesetzliche Rente noch weiter in der Firma zu arbeiten.

Gleichzeitig kommen immer mehr Meldungen, dass Betriebe wegen der eklatant gewachsenen Standortnachteile in der BRD ihre Tätigkeit einstellen und die Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.

Eigentlich müssten doch die Entlassungen auf der einen Seite zu einem Angebot an Fachkräften auf der anderen noch boomenden Seite führen. Das heißt, die Arbeitslosigkeit dürfte doch nicht steigen, der Fachkräftemangel abgebaut werden, wenn der Arbeitsplatzverlust durch den wirtschaftlichen Abstieg der BRD nicht größer als der Fachkräftemangel durch den Gang der Babybommer in die Rente in den noch boomenden Branchen ist.

Ich vermute jedoch folgendes: Die Arbeitslosigkeit wird steigen, weil strukturell und räumlich die freigesetzten Arbeitskräfte nicht die in Rente gehenden Babyboomer auf der anderen Seite ersetzen können. Außerdem haben viele Firmen kein Interesse mehr an jüngeren Leuten, die den Anforderungen in der Arbeitswelt nicht mehr gewachsen sind. Sie halten daher an ihrem Stammpersonal, auch wenn es schon betagt ist, fest.

Ich vermute auch, wenn der wirtschaftliche Abstieg erst einmal richtig an Fahrt aufgenommen hat, dann werden wir Arbeitslosenzahlen wie zur Zeit der Großen Depression bekommen. Ein Dammbruch könnte z.B. ein Blackout sein, der einen sofortigen Abwärtsstrudel zur Folge hätte.

Gruß Plancius

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"Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad an Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand." ARTHUR SCHOPENHAUER


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