Staatsgeld und Kreditgeld

Nico, Montag, 29.04.2019, 00:35 (vor 2037 Tagen) @ Naclador2588 Views
bearbeitet von unbekannt, Montag, 29.04.2019, 01:24

Der eine oder andere Forist kann sich noch an den Schreiber Euklid erinnern, dem ich selbst zum ersten mal im Systemfehler-Forum begegnet bin. Damals – es war das Jahr 2004 oder 2005 oder so – gehörte ich noch zu den Dummschwätzern, die bei jeder Gelegenheit vom kommenden Staatsbankrott gelabert haben. Euklid meinte nun aber zu mir, dass der Staatsbankrott weiter entfernt sei, als der Jupiter. Es ist nicht so, dass ich gleich alles auf Anhieb verstanden habe, aber es blieb mir im Gedächtnis. Vor allem konnte ich mich immer entsinnen, dass Euklid von einem alten Buch gesprochen hat, und ich meine, er nannte den Titel „Staat ohne Steuern“. Es wird sich vermutlich um dieses Buch hier handeln:

[image]

Der reiche Staat, ohne Armut, ohne Steuern, ohne Schulden

https://www.amazon.de/reiche-Steuern-Schulden-Volkst%C3%BCmliche-Freidenkerschriften/dp...

So etwas können sich die meisten Menschen freilich genauso wenig vorstellen, wie eine Welt ohne Krieg, Terror und Zerstörung. Man könnte fast glauben, die meisten Menschen wollen es auch genau so. Viele Menschen sind halt passiv aggressiv, man sieht deren Zerstörungswut z.B. in ihrer scheinheiligen Unterstützung der gegenwärtigen Massenimigration.

Leider habe ich das Buch von Dr. Georg Kramer (1910) nicht gelesen, aber im Hinblick auf den Buchtitel und in Hinblick auf Euklid vermute ich mal, dass er es wohl kapiert haben wird. Wahrscheinlich hat aber Georg Friedrich Knapp das Büchlein gelesen, und seine „Staatliche Theorie des Geldes“ (1923) baut wohl darauf auf. Auch dieses Buch habe ich nicht gelesen, aber auch dieser Titel klingt schon recht vielversprechend. Vielleicht haben sie beide kapiert, dass man zwischen Staatsgeld und Kreditgeld (Privatgeld) unterscheiden muss. Nur Privatgeld (Kreditgeld) trägt Zins und Termin, und nur Zins und Termin geben dem Geld den Charakter einer Schuld, denn nur diese Ingredienzien zwingen nun zu einer Leistung. Zentralbanknoten Sind Staatsgeld und darum haften ihnen weder Zins noch Termin an. Jeder kann mit Leichtigkeit erkennen, dass Staatsgeld und Kreditgeld also grundverschieden sind, aber eine gemeinsame Symbiose eingehen.

Die schlechte Nachricht:
Die Modern Monetary Theory wird von der ersten Riege der
sogenannten "Wirtschaftswissenschaftler" massiv angegriffen, nur von
wenigen ernst genommen.

Ist ja schließlich auch deren Job, oder glaubt etwa jemand, dass diese Leute sich durch Wahrhaftigkeit hervortun?

Die noch schlechtere Nachricht:
An der MMT ist zwar was Wahres dran, sie geht aber wieder am Kern der
Sache vorbei.

Werden wir ja sehen …

Zusammenfassung von Norbert Häring:
"MMT ist eine mit rund 25 Jahren recht junge Theorie. Im Zentrum steht die
„staatliche Theorie des Geldes“, die Georg Friedrich Knapp vor 100
Jahren entwickelte. Demnach gibt der Staat Geld heraus und bestreitet damit
seine Ausgaben. Steuern werden im Rahmen von MMT nicht als
Finanzierungsinstrument des Staates betrachtet.

Vielmehr dienen sie dazu, die Inflation zu begrenzen, indem ein Teil des
Geldes wieder eingesammelt wird, und daneben als Instrument der
Umverteilung."

Hier wird halt einfach von Geld gesprochen, ohne die Unterscheidung von Staats- u. Kreditgeld zu vollziehen.

So weit, so richtig. Der Staat verleiht dem Geld einen Wert (Das ist so
etwas Ähnliches wie "Inflation begrenzen".), in dem er ex Waffengewalt
eine Abgabenschuld seiner Untertanen erzeugt.

Der Staat erklärt ein Gesetzliches Zahlungsmittel (Schuldendeckungsmittel) und der Wert des Geldes ist auch ohne eine „Abgabenschuld“ längst vollständig erklärt. Der Hinweis auf „Waffengewalt“ ist völlig überflüssig, aber es soll ja hier das Zwingherren-Märchen konstruiert werden.

Die Steuer finanziert nicht
den Staat, sie erschafft erst das Geld, es wird "geltend" durch die
Abgabeforderung.

"This note is legal tender for all debts public and private"

[image]

Der Wert einer Banknote erklärt sich als ein allgemeines Schuldendeckungsmittel. Die „Abgabeforderung“ mag in der Historie einmal wichtig gewesen sein, spielt in dieser Hinsicht heute aber keine Rolle mehr.

Die Vorfinanzierung des Staates muss anders erfolgen:
Durch Verschuldung des Staates.

Die Vorfinanzierung des Staates ist erst recht ein Märchen, und den Staat gibt es bereits, bevor es überhaupt etwas geben kann, was „Geld“ genannt werden könnte. Hier werden (wie leider allgemein üblich) die Begriffe von Staat und Regierung gleichgesetzt. Die Individuen INNERHALB eines Staates wirtschaften untereinander, was dann auch etwas mit Finanzierung zu tun hat. Vorfinanzierung ist ein rein betriebswirtschaftlicher Terminus, und setzt natürlich auch eine bereits gegebene Geldwirtschaft schon voraus.

Weiter bei Häring:

"Auch Staatsanleihen dienen nicht der Finanzierung, sondern dazu, den Zins
zu steuern und zu verhindern, dass dieser auf null fällt.

Es gibt nicht „DEN Zins“, sondern nur die unterschiedlichsten Zinsen, wie sie eben von unterschiedlichen Handelspartnern berechnet werden, um anteilig berechnete Kosten zu decken. Auch die Kosten einer Geschäftsbank werden schon nicht so schnell auf Null fallen, und deshalb wird sie auch weiterhin keine zinsfreie Kredite gewähren. Vielleicht sind hier auch nur die Sparbuchzinsen gemeint? Die dürfen gerne bei Null bleiben, oder warum soll denn jemand dafür Zins kassieren, dass er sein Geld zur Bank bringt?

Denn durch
Ausgabe von Anleihen tauscht die Regierung einen Teil des ausgegebenen,
zinslosen Geldes gegen verzinste Anleihen."

Zinsen die bekanntlich nur auf geduldigen Papier hochgebucht werden. Staatsanleihen sind widernatürlich und deuten auch direkt auf den Staat im Staate - die (unabhängige) Zentralbank

Oh nein. Und aus. An dieser Stelle wird die MMT völlig unhaltbar. Das
Geld kommt aus der Steckdose. Na klar.

Die hier ausgeführte Vorstellung vom Zins ist offensichtlich falsch, aber ich weiß nicht, ob das nun an der MMT liegt, oder an Häring.

Seufz. Wie kriegt man die Ökonomen dazu, wenigstens mal den
"Kapitalismus" zu lesen?

Das schadet sicher nicht.

Kopfschüttelnd, Naclador.

Ich kann zwar nicht von der MMT sprechen, aber ich glaube, dass derzeit die Fed und sicher bald auch die EZB entmachtet werden. Natürlich können Staaten im Rahmen der politischen Gestalltung Gesetzliche Zahlungsmittel emittieren, ohne sich zu verschulden, eben weil diesen kein Zins und kein Termin anhaftet und selbstverständlich von jedem der noch klar bei Verstand ist, mit Freude angenommen werden.

--
... in Wirklichkeit ist ... immer alles ganz anders, als es ... in Wirklichkeit ist ...


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