Imperiale Ordnungen
Hallo Diogenes Lampe,
die Finanzierung eines gewinnträchtigen Fernhandels mit Monopolstellung führte in Venedig und Genua zur Entstehung eines Bankensystems, das wichtige Innovationen hervorbrachte und das den Reichtum Norditaliens begründete. Nachdem die Handels-, Waren- und Kapitalströme auf den Atlantik verlagert wurden, sehen wir den Aufstieg der Niederlande mit den Bankenplätzen Antwerpen und Amsterdam zur Handelsmacht und gleichzeitig den Bedeutungsverlust Italiens. Die Niederlande wurden von Großbritannien als ein erfolgreiches Handelsimperium mit dem Finanzzentrum London abgelöst. Der Reichtum der drei Seemächte beruhte auf ihren (Handels-)Flotten, die die Handelsrouten mit ihren Waren, ihrem Kapital, ihren Informationen usw. kontrollierten, die also ein Instrument der finanziellen Prosperitätssicherung und des ökonomischen Mehrwertes waren, während die Landmächte (Preußen, Russland), deren Landheere zumeist nur in den Kasernen hockten und Kosten verursachten, ins Hintertreffen gerieten. Im 20.Jh . haben die Vereinigten Staaten die Rolle Großbritanniens übernommen und eine imperiale Ordnung aufgebaut. Dabei entwickelte sich das amerikanische Finanzwesen in New York in Verbindung mit der „city of London“ zum wichtigsten Finanzverbund der Welt. In dieser angelsächsischen Welt sind auch die wichtigsten (militärischen, finanziellen, ökonomischen, kulturellen, sportlichen, usw.) Beraternetzwerke angesiedelt, die weltweit ihre Dienste den Staaten und Unternehmen anbieten.
Also: Hinausgehend über die Kontrolle und Beherrschung der Ströme der drei erstgenannten Seemächte gelten für die Vereinigten Staaten heute: Das Militär – zu Boden, zur See, in der Luft und im Raum –, die Finanzindustrie, die Informationstechnologie und die Geheimdienste. Diese Beherrschung ist die Voraussetzung für die bisherige Wohlstandssicherung des Imperiums. Das wird in den Beraternetzwerken des US-Imperiums vollumfänglich verstanden: Die Kontrolle der Ströme führt zur Beherrschung des Territoriums und der Einflusszone.
Die Seereiche der Venezianer, der Holländer, der Portugiesen und der Briten besaßen eine territoriale Grundlage. Da sie zum Teil aus kleinen, unscheinbaren Territorien bestanden, hätten sie in Konkurrenz mit den großen Landmächten ohne die hinzukommenden (Handels-)Flotten nur geringe Möglichkeiten der Entwicklung gehabt.
In der Gesamtschau gilt: Auf die Reiche an den großen Flüssen am Nil (Ägypten), an Euphrat und Tigris (Mesopotamien), am Jangtse und Gelben Fluss (China) folgten die, die sich um Binnenmeere bilden, das Römische Reich (Mittelmeer), Venedig (Adria), Schweden (Ostsee). Die Seemächte der Neuzeit breiten sich alle ozeanisch aus – sie hatten bestehende Ordnungen überwunden, indem sie territoriale Begrenzungen hinter sich ließen.
Wegen der Bedrohung aus dem Norden wurden die chinesischen Hauptstadtfunktionen schrittweise von 1420-1421 von Nanjing nach Peking verlegt – es ging um die Wahrung der Reichseinheit. Die auftretenden Kosten erzwangen die 'Seeverbotspolitik' von China vom Jahr 1434 bis zum Ende des 16.Jh. Der chinesische Rückzug von den Meeren hat den Aufstieg der europäischen Seemächte mit ihren Prosperitätsgewinnen sehr gefördert.
China ist wie z. B. Persien (Iran) auch, kein Imperium, wohl aber eine
Kontinentalmacht.
Ich denke, dass China gegenwärtig den Wandel von einem Reich zu einer imperialen Ordnung, für die die debitistischen Zwänge gelten, vollzieht. Neben der bestehenden ozeanischen Orientierung des Südens wird die Neue Seidenstraße im Norden das Imperium stärken – gleichzeitig werden die Unterschiede zwischen den chinesischen Provinzen gemildert.
Es gilt halt der Satz: "Denn es geht immer weiter bzw. wieder von vorne los. Die Märkte in Mumbai und Shanghai lösen New York und Chicago ab – wie diese London abgelöst hatten und London Brügge und Brügge Venedig.", den Paul C. Martin am 06.08.2007 in
http://www.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=386213
formuliert hat. Die Frage UND DANN? bedeutet: Wo sitzen die Schuldenverwalter?
Meine Interpretation der Dinge, die ich schon vor zweieinhalb Jahren ausgehend von Herfried Münkler formuliert hatte, sind von @Ashitaka auf der Grundlage des Werkes von Paul C. Martin und der Simulationstheorie von Jean Baudrillard in
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=379074
einer kritischen Analyse unterzogen und wesentlich erweitert worden.
Gruß â€“ Ostfriese