Diese Argumente wiederholen sich stets und ständig, weil die meisten gar nie über Marktwirtschaft nachgedacht haben

Literaturhinweis, Freitag, 09.06.2017, 13:36 (vor 2725 Tagen) @ Gaby4703 Views
bearbeitet von unbekannt, Freitag, 09.06.2017, 13:45

Insbesondere der Ordoliberalismus hat da in Deutschland extreme Gehirnwäsche betrieben. Der sich dann aber wiederum als "Neoliberalismus" verunglimpfen lassen muß, den auch ein reiner Maulheld nicht definieren kann.

Gehen wir das mal systematisch durch:

nun, in der Theorie ein interessanter Gedanke: "In einer Marktwirtschaft gäbe es mit Sicherheit weder einen Ärztemangel noch eine Approbation, sondern stattdessen höchstens ein Haftungsrecht, das den Pfuscher davor warnt, Dinge zu tun, für die er nicht qualifiziert ist."
Nur: Wie soll das praktisch laufen?

Indem jeder sein Schild vor die Tür hängen kann - es muß ja niemand sich behandeln lassen. Das ist der erste Denkfehler, daß, wenn Luzie von den Peanuts einen Limonadestand eröffnet, alle Nachbarn gezwungen wären, dort zu kaufen.

Sagen wir, ich gehe zu einem selbst ernannten Heilberufler (selbst ernannt, weil ja auch keine Approbation mehr nötig, in dem Denkmodell), er "behandelt" mich und ich erleide einen Schaden.

Zweiter Denkfehler: Mich würde der nur behandeln, wenn ich ihm vertraute. Wie käme ich dazu?

Im Haftungsrecht muss ich als Geschädigter nachweisen, dass der Behandler einen Fehler gemacht hat.

Nur eingeschränkt. Dritter Denkfehler: in einem normalen Zivilprozeß kehrt sich diese Beweislast dann um, wenn derjenige nicht nachweisen kann, daß er die "erforderliche" oder "anerkannte" Methodik verwandt hat. Das zieht sich durch alle Haftungsfragen schon heute durch, z.B. in Bauschadensprozessen hinsichtlich der "anerkannten Regeln der Bautechnik" usw.

Ich habe die Beweispflicht.

Nur, daß ein Schaden überhaupt entstanden ist. Der Rest ist recht kompliziert, aber nur soviel: genau das wäre ja in einer echten Marktwirtschaft vertraglich zu regeln. "Du willst mich behandeln? Nur bei Beweislastumkehr, sonst gehe ich zur Konkurrenz nebenan". Ist heute schon so.

Vierter Denkfehler: Markwirtschaft sei wilder Westen. Im Gegenteil. Wilder Westen ist derzeit.

Das zwingt mich auf einen u.U langen und kostspieligen Rechtsweg.

Nur, wenn ich blöde bin und nicht aufpasse, wohin ich trete. Wie bei Bananenschalen.

Desweiteren würde ein solches Vorgehen die Behandlungspreise in anstronomische Höhen schnellen lassen.

Hä? Es werden doch nur Schäden ausgeglichen. In der KFZ-Versicherung schnellen sie auch nicht ins Unermeßliche. In USA ist das im Medizinrecht etwas anderes (keine Marktwirtschaft!), dort gibt es dann auch noch punitive damages.

Fünfter Denkfehler: In einer Marktwirtschaft könnte der Behandler einen Vertrag mit Höchsthaftungssume abschließen (wem's nicht paßt, geht zur teureren Konkurrenz). Er könnte eine Schiedsstelle vereinbaren (vgl. Sportgerichtsbarkeit). Nur in der Nicht-Marktwirtschaft sind deine Szenarien überhaupt denkbar.

Weil nicht jede Behauptung, Schaden erlitten zu haben, ja auch wirklich wahr ist.

Darum wird sie kaum jemand erheben, der am Ende dann für die Prozeßkosten nach Unterliegen haften müßte. Sechster Denkfehler: nicht mit USA vergleichen, wo Rechtsanwälte aktiv um Mandate betteln. Marktwirtschaft = Vertragsfreiheit!!! In USA keine Vertragsfreiheit im Gesundheits- und nicht im Krankenversicherungswesen. Der Rest folgt daraus.

So muss der Behandler dann entweder über ein entsprechendes hohes Gesamthonorar sich selbst abdecken

Siebter Denkfehler: Wie bei der KFZ-Versicherung würde ein langjährig "unfallfreier" Behandler nur einen Bruchteil des Quacksalbers zahlen - weshalb es dann weniger Quacksalber gäbe als heute.

oder er schließt eine Versicherung ab, mit entsprechend hohen Prämien - die auch wieder über Honorare hereingeholt werden müssen.

Achter Denkfehler: die Prämien sind nur dort hoch, wo gepfuscht wird, wo jemand unvorsichtig fährt, siehe KFZ-Versicherung. Und, siehe oben: ich kann die Haftung ja vertraglich ausschließen. Wer dann noch hingeht, ist selbst schuld. (In der KFZ-Versicherung geht das nicht - da geht es ja um deliktisches Haftungsrecht, bitte nicht verwechseln). Die Versicherungen haben aber meist Kontraktionszwang, Diskriminierungsverbote und all das. Wer seine Disco nicht gegen randalierende Nafris schützen darf ("Diskriminierungs"-Verbot), der gibt das Geschäft halt irgendwann auf. Siehe unsere Hebammen. Alle haften für alle. Nicht marktwirtschaftlich, sondern "ordoliberal".

Wir sind da ziemlich dicht dran an der amerikanischen Ärztemisere.

Neunter Denkfehler: das US-System ist eines der reguliertesten, wenn nicht das regulierteste auf der ganzen Welt! Seit Obamacare noch mehr als vorher.

Meinst Du nicht doch, es wäre bei Ärzten besser, mittels Approbation eine gewissen Kenntnislage zu garantieren?

Zehnter Denkfehler: nur, weil es in Deutschland den gesetzlich vorgeschriebenen "TÜV" gibt (= Dekra, = zugelassener Sachverständiger ...) muß das nicht heißen, daß man eine solche Regelung braucht. In vielen anderen Ländern gibt es das nicht. Aber: die KFZ-Versicherung schreibt vertraglich eine Untersuchung vor ... und ohne dann halt nix Fahren auf öffentlichen Wegen.

In anderen Ländern gibt es auch keinen Handwerksmeister. Aber nicht jeder darf einen Gasanschluß legen. Weil das Gaswerk mit ihm keinen Vertrag schließt. So einfach ist das / wäre das ...

Genauso würde eine Haftpflichtversicherung der Ärzte Quacksalber aussieben. Nur, nochmal: das sind vertragliche Haftungen - da muß man keine Versicherung vorschreiben. Im Straßenverkehr schon, das ist deliktische Haftung, d.h. der, der mir ins Auto fährt, mit dem habe ich eben keinen Vertrag. Ein beliebter elfter Denkfehler hinsichtlich Haftungsfragen.

Ich sehe nicht, dass eine Approbation in einer Marktwirtschaft fehlplatziert ist.

Absolut, wer sich approbieren lassen will, soll das tun (dürfen). Bestimmt hat er mehr Kunden als der Unapprobierte. Und der Unapprobierte hat ein anderes Schild, mit weniger schmückenden Ornamenten, als der Approbierte.

Zwölfter Denkfehler: man muß die Approbation deshalb noch lange nicht vorschreiben!

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