Nein, keine Übersetzung

Leserzuschrift, Montag, 22.05.2017, 14:47 (vor 2741 Tagen) @ Literaturhinweis7328 Views

Ich kenne mich halbwegs mit Spanisch, Deutsch und Englisch aus, und ich denke im jeweiligen Kontext in der jeweiligen Sprache.

> Ja, weil Sie übersetzen.

Nein, überhaupt nicht. Jedenfalls nicht bewusst.
Den Hollywood-Film verstehe ich in der Originalsprache, García Márquez auch, und hier im Formum lese ich natürlich in Deutsch.
Das geht manchmal sogar soweit, dass ich mir nach dem Lesen eines Textes nicht mehr sicher bin, in welcher Sprache er abgefasst war. Die Sprache ist ja nur ein Vehikel, um Ideen zu transportieren. Ist die Idee einmal angekommen, kann man auf die Verpackung verzichten.


> Ich kann Ihnen leider nicht das Gefühl vermitteln, wie diese internen Vorgänge abliefen, wenn Sie die jeweilige Sprache beherrschten,

Hmm. Ab wann "beherrscht" man eine Sprache?
Ich bin schon glücklich, wenn ich mich halbwegs verständlich ausdrücken kann und die meisten Texte ohne Wörterbücher verstehe, sowohl in der Mutter- als auch in den Fremdsprachen.

Jedes Gehirn entscheidet selbst, wo und wie es neues Wissen abspeichert.

> Nein, echt? Und wieso finden dann Neurologen bei jedem dieselben Strukturen, die "feuern" - den visuellen und Sprachkortex und eben bei solchen wie Ihnen noch eine dritte Region?

Selbstorganisation. Sogar in einem künstlichen neuronalen Netzwerk ist es "ökonomischer", wenn ähnliche Vorgänge in benachbarten Nervenzellen ablaufen.
Beim Gehirn kommt dann noch das Thema "Energieversorgung" hinzu. Nach meinem Kenntnisstand wird die Durchblutung in aktiven Gehirnregionen gezielt hochgefahren. Insofern ist es sinnvoll, logisch zusammengehörige Strukturen auch räumlich zusammenhängend zu organisieren. Das bildet sich wahrscheinlich von allein heraus.


> Das ist doch jetzt nicht Ihr Ernst?

Doch. Nicht nur die Kodierung ist in jedem Gehirn individuell, sondern auch die exakte Lokalisierung und räumliche Ausdehnung der jeweiligen "Zentren" - eben weil jedes Gehirn selbst entscheidet, wie es sich organisiert. Und das ist nichtmal statisch, Stichwort Neuronale Plastizität: "Eine häufige, aber überraschende Konsequenz der Plastizität ist, dass eine gegebene Funktion im Hirn von einer Stelle zu einer anderen „wandern“ kann."
Oder wozu macht man sich sonst die Mühe, vor komplexen Gehirnoperationen stundenlang eine individuelle kortikale Karte zu erstellen, damit der Chirurg sowenig Schaden wie möglich anrichtet?

Wenn man einmal unterstellt, dass das Gehirn tatsächlich ein gigantisches neuronales Netz ist, dann zeigen meine Erfahrungen mit technischen neuronalen Netzen, dass es sehr schwer ist, einmal gelernte Verbindungen "umzuprogrammieren".

> Sagte ich ja: "ist kaum noch heilbar".

Das hat überhaupt nichts mit "gesund" oder "krank" zu tun.
Neuronale Netze lernen eben auf eine bestimmte Weise, ob uns das nun gefällt oder nicht.
Schule kann darauf bestenfalls Rücksicht nehmen. Beispielsweise halte ich diese "Mode", Schüler zunächst so schreiben zu lassen, wie es ihnen aus der Feder fließt, und erst später auf Orthographie zu achten, für ausgesprochen gehirnfeindlich. Da werden u.U. jahrelang falsche Verbindungen trainiert, die dann eben nicht mehr so einfach "umzuprogrammieren" sind.

Wenn man ein bereits trainiertes Netz mit neuen Informationen "füttern" möchte, dann geht das am einfachsten, indem man es mit "jungfräulichen" Neuronen erweitert, die dann das neue Wissen aufnehmen und das alte ergänzen.

> Das neuronale Netz im Computer ist insofern nicht mit dem menschlichen Kortex vergleichbar.

Wieso nicht?
Hat das überhaupt schon mal jemand untersucht, was genau auf zellulärer Ebene passiert, wenn das Gehirn eine neue Fähigkeit erlernt und sich die entsprechende Region "vergrößert"? Ich würde mal vermuten, dass da durchaus neue Nervenzellen entstehen.
NGF modulates nerve plasticity, neurogenesis, and axonal outgrowth.


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