Nordkorea - zwei alternative Sichtweisen

Weiner, Freitag, 21.04.2017, 01:17 (vor 2772 Tagen) @ ebbes7718 Views

Hallo Ebbes,

Du weißt ja, dass ich die europäischen und nordamerikanichen Durchschnittsbürger als Schlafschafe ansehe. Das ist verletztend (und ich mache es auch nicht gern), aber manchmal muss man vielleicht ein wenig provozieren.

Wer eine Schafherde leiten will, der braucht einerseits geeignete Leithammel (sprich Parteipolitiker), zwischendurch aber immer mal wieder eine Situation, die mäßigen (!) Schrecken erregt. Einen solchen Schrecken würden die Schlafschafe unter Umständen gar nicht bemerken und kapieren (heißt es nicht: so dumm wie ein Schaf?), aber dafür hat man dann die Hunde, die sofort losbellen (sprich Presse und Medien). Darauf sind die trainiert: Du brauchst nur einen schwarzen Sack hinter dem Busch hervorwerfen, und die Hundemeute schlägt sofort an: die Schafherde wird aus dem Dämmerschlaf gerissen, einzelne Schafe heben sogar den Kopf ...

Nordkorea ist so ein schwarzer Sack, den man über Jahrzehnte mit viel Mühe verfertigt und gegen den man die Medien allergisch gemacht hat. Man braucht heute nur noch "Kim, Rakete, Bombe" rufen - und sofort startet international das Gekläffe der Hütehunde.

Das reale Korea dagegen wird überhaupt nicht wahrgenommen. Deswegen: auf der folgenden Webseite wird der wahre Untergrund der koreanisch-amerikanischen Beziehungen dargestellt.

http://www.moonofalabama.org/2017/04/the-reason-behind-north-koreas-nuclear-program-and...

Nach vierzig Jahren japanischer Besatzung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben die Amerikaner sich das Land Korea gekrallt, um gegen Russland und China im Kalten Krieg einen Brückenkopf zu haben. Die Koreaner haben heroischen Widerstand geleistet, um den Preis von rund 20 Mio. Toten (ein Drittel der Bevölkerung!), von komplett zerstörten Städte und Industriezentren - inklusive Teilung des Landes bis zum heutigen Tag. In meiner Einschätzung war das Leiden der Koreaner mindestens gleich mit dem der Russen, der Deutschen und der Chinesen unter Adolf, Stalin und Mao. Selbst MacArthur hat den Koreakrieg und seine Greuel nicht wirklich verkraftet. Das erste große Experimentierfeld für Napalm war für die Amerikaner Korea.

Die (Militär-) Geschichte der USA ist seit gut 150 Jahren eine Kette von Kriegsverbrechen und Völkermord, die einzigartig ist in der Weltgeschichte.

Der Druck der USA auf Nordkorea hat nach dem Koreakrieg nicht nachgelassen. Durch die Aufrüstung und Unterstützung Südkoreas wird der Nordstaat zu überdurchschnittlichen, ökonomisch eigentlich sinnlosen Ausgaben gezwungen. In so einer Situation ein A-Bombe haben zu wollen, ist für Nordkorea aus meiner Sicht so legitim und verständlich wie für Israel. Ich bin absolut gegen alles, was mit Kernspaltung zu tun hat, aber wenn man derart leiden musste und jehrzehntelang derart massiv herausgefordert wird, dann kann man das nachvollziehen.

Das Interessante ist: Nordkorea hat den Amerikanern mehrfach Gespräche angeboten (vermittelt durch China). Aber die haben jedes Mal abgelehnt. Zuletzt unter Trump ...

'moonofalabama.org' ist in meinen Augen eine seriöse und gut recherchierte Webseite mit Focus auf Syrien.

Anfang des Jahres kam im ZDF Auslandsjournal eine Doku über Kim Jong-un

https://www.youtube.com/watch?v=PsKxKIPtVZY

Er ist in der Schweiz zur Schule gegangen und spricht Deutsch. Er ist aufgeschlossen, aufgeklärt, ist ein Realist und hat in kurzer Zeit schon Einiges bewegt. Die extreme Armut und den sprichwörtlichen Nordkorea-Hunger gibt es wohl nicht mehr. Kim Jong-un hat die Landwirtschaft modernisiert und arbeitet aktuell am Umbau von Handel und Industrie. Es geht ein bißchen in Richtung Deng Xiaoping, was Kim Jong-un nun für Nordkorea in die Wege leiten möchte, er will eine Transformation, einen Neuanfang.

Beim evtl. Anschauen des Films bitte die übertriebenen Gefühlsregungen der Menschen richtig einschätzen: das ist der dortige Volkscharakter. Ich kenne das vom Umgang mit Südkoreanern, die sich aber inzwischen gut kontrollieren können (sogar ihr Tonfall ist weicher geworden), nachdem sie bemerkt haben, dass in Europa und in den USA diese Emotionalität peinlich wirkt. Wenn sie aber verletzt oder beleidigt werden, dann können sie auch heute noch ziemlich ausrasten.

Und das ist das einzige Risko mit diesem ansonsten völlig unwichtigen und harmlosen Land - welches eben das unglückliche Schicksal hat, vom amerikanischen Establishment als Schreckgespenst und Buhmann mißbraucht zu werden.

MfG, Weiner


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