Einspruch Euer Ehren! Bedingter Vorsatz und Mordmerkmale bei Führen eines Kraftfahrzeuges
Die Abgrenzung ist schwierig und war Gegenstand eines umfangreichen Meinungsstreits. Eventualvorsatz liegt laut Bundesgerichtshof vor, wenn der
Täter den Taterfolg als Folge seines Handelns ernsthaft für möglich hält (Wissenselement) und ihn zugleich billigend in Kauf nimmt (Wollenselement). Billigend in Kauf nimmt er den Erfolg, wenn er sich mit diesem abfindet. Dagegen sagt sich der bewusst fahrlässig handelnde, "es wird schon gut gehen". Die Abgrenzung (Wollenselenmet) ist deshalb so schwierig, weil sich diese Vorgänge im Kopf des Täters abspielen und daher von dem Gericht nicht ohne weiteres zu erkennen sind. Zudem gilt die Unschuldsvermutung.
Ja, aber wer mit einem gefährlichen Werkzeug (siehe BGH, Beschluss vom 25. 4. 2012 – 4 StR 30/12) 'hantiert' mußte immer schon besondere Vorsicht walten lassen (vgl. § 224 StGB).
Im vorliegenden Fall ist das Gericht davon ausgegangen, dass jemand, der mit mehr als 160 Stundenkilometer, wenn auch nachts, in der Berliner Innenstadt über rote Ampeln rast, den Tod unbeteiligter Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf nimmt.
Was denn sonst? Alles andere wäre ein verhängnisvoller Fehlschluß, ein Freifahrtschein für Raserei.
Ich behaupte einmal, dieses Urteil wird vor dem 5. Strafsenat keinen Bestand haben:
Nun ja, die tatgerichtlichen Feststellungen müssen nur richtig ausgearbeitet sein, um wenig revisibel zu erscheinen.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den meisten anderen Tötungsdelikten dardurch, dass sich hier das Täterverhalten auch gegen das eigene Leben richtet.
Nicht unbedingt, das kommt ganz auf die Ausrüstung des KFZ an - ein Schalensitz, statt Dreipunkt- evtl. Sechspunktgurt, Überrollbügel und genügend Airbags schützen einen Raser in schwerem Fahrzeug beim Frontalaufprall wesentlich sicherer, als einen Rentner mit altem Auto ohne Seitenairbag bei Seitenaufprall.
Wer rote Ampeln überfährt, muß genau mit diesem Szenario dauernd rechnen.
Von Fussgängern, Mofa- und Fahrradfahrern, Motorradfahrern und Menschen, die am Straßenrand parken und gerade in dem Moment ihre Autotür öffnen und aussteigen, ganz zu schweigen. Das zu bedenken muß man einem Fahrzeugführer eines entsprechend motorisierten KFZ auferlegen und unterstellen dürfen.
Wer rast und den Tod anderer Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf nimmt, der nimmt dann als Kehrseite zwingend auch den eigenen Tod billigend (Wollenselement) in Kauf.
Das genau ist der Fehlschluß - wer im 'Panzer' sitzt und einen LKW rammt, geht vom eigenen Tod ebensowenig aus, wie der, der im gut ausgerüsteten Rennauto Fußgänger überfährt oder andere Fahrzeuge, s.o. seitlich rammt. Schließlich spielt ja auch das Verhältnis der Fahrzeuggewichte beim übertragenen Impuls und der auf den Unfall'gegner' übertragenen Energie eine Rolle! Wer eine rote Ampel überfährt, muß damit rechnen, daß Fußgänger gerade 'Grün' haben!!!
Suizidale Tendenzen wird man bei den beiden 25 und 28 jährigen Fahrern nach deren Auftreten kaum unterstellen können.
Daher ist das dann unerheblich und hoffentlich haben die tatrichterlichen Feststellungen das 'revisionsfest' ausgeräumt.
Weiterhin macht auch das Gutachten der durch das Gericht hinzugezogen Psychologin dieses deutlich. Beide dachten, das Risiko im Griff zu haben.
Ihr eigenes Risiko. Unmöglich kann, wer in einer Großstadt mit 160 km/h über rote Ampeln hinweg unterwegs ist, das auch auf andere beziehen.
Sie wollten das eigene Ego stärken. Das aber spricht dagegen, dass beide auch den eigenen Tod billigend in Kauf genommen haben.
Eben, das, s.o., war sicher nicht so. Aber eben auch unerheblich für das Mordmerkmal "Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln". Ich sage mal: wenn schon bei Überschreiten der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen daraus eine Beweislastumkehr und erhöhte Schuldzurechnung folgen kann, dann allemal, wenn jemand, sagen wir, mehr als 20% über einer ausgeschilderten Höchstgeschwindigkeit fährt, und das bei 'geschlossener Schranke', sprich: roter Ampel.
Diese Erwägung spricht im Übrigen in den meisten ähnlich gelagerten Fällen dagegen von Mord auszugehen, wie es alle Gerichte zuvor gehandhabt haben.
Denen man Laschheit vorwarf.
Die Verteidigung hat bereits angekündigt, Revision einzulegen. Der Fall wird also auch den Bundesgerichtshof beschäftigen.
Es wäre in der Tat wünschenswert, wenn zum "Musterschema zur gefährlichen Körperverletzung" ein Musterschema Mord hinzukäme und die Frage, wie jemand zu behandeln ist hinsichtlich seiner 'niederen Motive', der rücksichtslos Schwächeren gegenüber im Straßenverkehr sein KFZ als Waffe benutzt, und wie er strafrechtlich einzuordnen ist.
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