OT: Kohlenmonoxid - der stille Killer - sechs Jugendliche in Gartenhütte gestorben, Vorsichts- und Abhilfemaßnahmen/Literatur

Literaturhinweis, Donnerstag, 02.02.2017, 13:59 (vor 2849 Tagen)7217 Views
bearbeitet von unbekannt, Donnerstag, 02.02.2017, 14:55

Aus aktuellem Anlaß: "Tote Teenager in Gartenlaube - Stromaggregat verbreitete offenbar tödliches Gift" schreibt der Spiegel:

"Im bayerischen Arnstein starben sechs Teenager in einer Gartenlaube. Sie atmeten giftiges Kohlenmonoxid ein. [Ungiftiges Kohlenmonoxid muß erst noch erfunden werden.] ... gehen die Ermittler davon aus, dass ein Stromaggregat den Kohlenmonoxid-Ausstoß verursacht hat. Das mit Benzin betriebene Gerät hätte demnach nicht in Innenräumen betrieben werden dürfen."

Auch wenn es sich hier um ein Gerät gehandelt haben dürfte, das man gar nicht in Innenräumen hätte einsetzen sollen, gehen Kohlenmonoxid-Gefahren grundsätzlich von jeder Feuerstelle aus. Wo Kohlenstoff und Sauerstoff an der Wärmegewinnung beteiligt sind, birgt die stets mögliche unvollständige Verbrennung die Gefahr der Kohlenmonoxidvergiftung für Mensch und Tier. Lediglich Brennstoffzellen auf Wasserstoffbasis erzeugen Wärme oder Strom, ohne für Menschen schädliche Abgase zu hinterlassen, wenn man vom schimmeltauglichen Wasserdampf absieht.


1.) Die Gefahr einer Kohlenmonoxid-Vergiftung

Diese Gefahren lauern grundsätzlich überall, wo kohlenstoffhaltige, also typischerweise 'fossile' Brennstoffe verbrannt werden, ob bei der 'sauberen' Erdgasheizung oder beim Kohleofen, ebenso, wie bei benzin- oder dieselbetriebenen Fahrzeugen, auch Booten und auch in entsprechend betriebenen Fabrikationsanlagen. Auch ein paar Mikroorganismen können Kohlenmonoxid erzeugen.

Die Gefahren werden meist dadurch herbeigeführt, daß Geräte nicht bestimmungsgemäß betrieben oder schon nicht normgerecht installiert wurden.

So werden manchmal Gas- oder Öl-Etagenheizungen nachträglich in Altbau-Stockwerken installiert. Dabei muß der 'Einzugsbereich' des Brenners genügend groß oder zwangsbelüftet sein. Nicht immer ist aber allen an einer Altbausanierung beteiligten bewußt, was ihre jeweiligen Baumaßnahmen für den ungehinderten Verbrennungsvorgang bedeuten.

Beispiel 1: eine Etagenheizung wird in einer Küche eines Altbaus nachträglich eingebaut; davor waren die Zimmer mit Einzelöfen beheizt. Vom Entwurf her ist es eine offene Küche mit Übergang zum Eß- und Wohnzimmer. Der von der Heizung her zum Ansaugen der Verbrennungsluft nutzbare Raum beträgt über hundert Kubikmeter Luft (Fläche Küche 20 qm, Wohn/Eßzimmer 40 qm, Raumhöhe 3m = Volumen 180 cbm). Zudem sind die Fenster alt und nicht dicht.

Im Zuge einer weiteren Renovierungsmaßnahme werden nun luftdichte Doppelglasfenster eingebaut. Der Luftaustausch mit 'draußen' erfolgt nun nicht mehr zwangsweise und automatisch durch die undichten Fenster, sondern nur noch, wenn bewußt gelüftet wird. Dennoch, die 180 cbm reichen aus, es gibt ja keine Tür zwischen Küchen- und Wohnbereich.

Als nächstes baut ein neuer Mieter, der sich von den Gerüchen und dem Lärm beim Kochen gestört fühlt, eine Tür zwischen Küchen- und Wohnbereich ein. Nunmehr beträgt das direkt der Gasheizung zum Ansaugen der Verbrennungsluft zustehende Raumvolumen (3m hoch, 20 qm Fläche) nur noch max. 60 Kubikmeter, von denen aber mehrere cbm allein durch Einbauten (Herd, Einbauschränke, Geschirr, Spüle etc.) wegfallen. Vielleicht max. 50 cbm stehen noch zum ungehinderten Luftaustausch für die Gasheizung zur Verfügung. Da die nagelneue Küchentür und die sanierten Fenster zudem dicht schließen, entsteht Unterdruck immer dann, wenn die Gasheizung auf voller Stärke arbeitet, etwa, wenn die Bewohner nach einem Skiurlaub in die ausgekühlte Wohnung zurückkehren, der Hausherr sich gleichzeitig ausgiebig duscht, während die Dame des Hauses den Gasherd und Gasbackofen anwirft und die Heizung in allen Räumen hochgedreht wird, denn man will es 'gemütlich' haben nach einer langen durchfrorenen Reise.

Da die Köchin frittiert und brät, und den Essensdunst nicht im Wohnzimmer haben will, hält sie die Küchentür eisern geschlossen und schaltet zudem die Ablufthaube mt Entlüftung nach draußen auf 'volle Pulle' - was weiteren Unterdruck in der Küche erzeugt.

Kommt der Mann aus der Dusche, findet er seine Frau leblos halb auf der Küchenbank, halb auf dem Boden, wo sie sich wegen eines vermeintlichen Schwindelanfalls hingesetzt und noch schnell ein Aspirin genommen hatte, wegen unerklärlichen Kopfwehs. Wenn der Entdecker Pech hat, verfällt er auch noch dem Kohlenmonoxid-Rausch, jedoch hat er vermutlich die Küchentür offengelassen und merkt daher noch nicht mal etwas von dem Schwindelgefühl, das seine Frau zuvor ergriffen hatte.

Beispiel 2: Selbe Küche, die beiden Bewohner haben eine bekannte Familie auf der Durchreise aufgenommen, ein Teil der Besuchs-Familie schläft im Wohnzimmer, der Vater in der Küche, weil er schnarcht und sonst die Kinder im Wohnzimmer nicht gescheit schlafen können. Irgendwann hört das Schnarchen aus der Küche auf, das man dennoch durch die geschlossene Küchentür im Wohnzimmer hören konnte. Alle schlafen darum umso tiefer, nur daß ... der Vater in der Küche am nächsten Morgen trotz Klopfen der Hausherrin, die für sich und die Gäste das Frühstück zubereiten will, nicht öffnet. Man findet ihn schließlich leblos in seinem Schlafsack, mit dem er es sich auf der Küchenbank bequem gemacht hatte.

Beispiel 3 - und nach einer wahren Begebenheit (vor ein paar Jahrzehnten): Eine Baufirma nimmt Reparaturen am Kamin vor und steckt dazu in jedem Stockwerk einen feuchten Schwamm in die Öffnung, die die jeweilige Etagenheizungen mit dem Kamin verbindet. Am Abend gibt der Polier Entwarnung und entfernt die Schwämme, bzw. heißt seine Bauarbeiter und Lehrlinge an, dies zu tun. Ein Schwamm wird leider übersehen, da die Bewohner nicht zuhause zu sein scheinen und am Ende wird er vergessen, als die Mannschaft in den Feierabend fährt. Am nächsten Morgen findet die von den Nachbarn alarmierte Polizei nach Wohnungsöffnung die mehrköpfige Familie tot in ihren Betten.

Beispiel 4: Dohlennester im Kamin - "Schornsteinfeger Guido Rath schlägt Alarm. Zunehmend bauen Dohlen ihre Nester in Schornsteinen. Im schlimmsten Fall kann dies zum Tod führen".

Beispiel 5: "17 Verletzte nach Kohlenmonoxid-Austritt in Kartbahn in Groß-Zimmern"

Beispiel 6 - ebenfalls nach einer wahren Begebenheit: Auf einem Fiberglas-Kabinenboot schippern ein halbes Dutzend Junggesellen feucht-fröhlich über einen europäischen Binnensee. Der 'Skipper' steht draußen in der frischen Luft und steuert, während die anderen Männer unten in der Wohnkabine mit Kombüse das Mittagessen kochen sowie es sich bei alkoholischen Getränken gut gehen lassen. Ein allgemeines leise spürbar werdendes Kopfweh schieben alle auf die durchzechte Nacht davor. Plötzlich beginnt einer der Teilnehmer konvulsivisch zu zucken. Ein Freund, der ihn schon länger kennt, weiß zufällig, daß er leichter Epileptiker ist und so bringen sie ihn nach draußen und legen ihn auf die Rückbank, während der Skipper schleunigst den nächsten Hafen anzusteuern beginnt. Während der 'Epileptiker' sich aber an der frischen Luft wieder zu 'beruhigen' beginnt, fängt jetzt derjenige, der in der Kombüse blieb, um den Toaster zu bewachen, an zu zucken. Da dieser bisher gesund war, beginnen die anderen an der These mit dem epileptischen Anfall zu zweifeln. Das Boot wird im Trockendoch überprüft und siehe da: das Schott oder die Trennwand zwischen dem auf gleicher Ebene liegenden Motor und der Wohnkabine ist durchlässig und Abgase können in den Wohnraum eindringen - es handelte sich um eine beginnende Kohlenmonoxid-Vergiftung, die sich bereits bei allen durch das Kopfweh anzukündigen begann, jedoch milde verlief, weil man den vermeintlichen Epileptiker rechtzeitig nach draußen verbrachte, wobei die Kabinentür eine Weile offenstand, während der Verbliebene am Toaster stutzig wurde, als er auch begann zu zucken und gleich das Weite suchte.

Kohlenmonoxid-Gefahren begegnen den Menschen also durchaus häufiger, nur verlaufen die Auswirkungen oft glimpflich, während beim eingangs genannten Beispiel mit den Jugendlichen diese wohl zusätzlich alkoholisiert gewesen sein dürften und dann einfach 'einschliefen'. Oder sie schliefen vorher ein, und die CO-Konzentration stieg erst danach auf den kritischen Wert.

Kohlenmonoxid bindet stärker an das Hämoglobin-Molekül, als der Luftsauerstoff, und wird daher, einmal ans Hämoglobin-Molekül angedockt, nicht mehr so schnell beim Sauerstoff/Kohlendioxid-Austausch wieder an die Atemluft der Lunge abgegeben, so daß ab einer bestimmten CO-Konzentration in der Atemluft mehr und mehr der roten Blutkörperchen von CO statt CO2/O2 besetzt sind und für die Sauerstoffversorgung der Zellen und des Gehirns ausfallen, man 'erstickt' also unmerklich. Insbesondere bemerken schon CO-gewöhnte Raucher, Betrunkene und Schlafende u.U. gar nicht, welche Veränderungen mit ihnen vorgehen, bis es zu spät ist und sie bewußtlos und handlungsunfähig werden.


2.) Vorbeugemaßnahmen gegen Kohlenmonoxid-Vergiftung

Wie sich schon aus den meisten der obigen Beispielen herauskristallisiert, ist meist eine ungenügende Luftzufuhr für die unvollständige Verbrennung und damit die Anreicherung von Kohlenmonoxid in geschlossenen Räumen ursächlich. Im letzten Beispiel 6 dagegen war der Schiffsmotor vermutlich richtig eingestellt, aber Verbrennungs-Motoren, insbesondere Benzinmotoren, aber auch falsch eingestellte Dieselmotoren, erzeugen stets eine gewisse Menge Kohlenmonoxid, was in der freien Landschaft aber nicht zu kritischen Konzentrationen führt. In geschlossenen Räumen jedoch sehr wohl, weshalb in Garagen entsprechende Warnschilder Pflicht sind und weshalb sich Selbstmörder ab und zu mit (Benzin-) Abgasen, die sie mittels Schlauch in die Fahrerkabine leiten, umbringen.

Wenn also ein CO-erzeugender Motor in geschlossenen Räumen betrieben wird, oder eine normalerweise praktisch CO-freie Verbrennung (Gastherme) durch ungenügende Luftzufuhr 'abgewürgt' wird, ist stets Gefahr im Verzug für Mensch und Tier. In anderen Fällen von drohender Gasvergiftung oder Gasgefahren hat man natürliche Warnmelder eingesetzt. So wurden in Bergwerken Kanarienvögel in Käfigen gehalten, die frühzeitig bewußtlos wurden, bevor die Methangaskonzentration über die Explosionsgrenze stieg, daß ein sog. Schlagwetter, eine Gasexplosion, gedroht hätte. In Weinkellern, wo durch die Hefegärung Kohlendioxid entsteht, hat man früher Kerzen beobachtet - drohten diese, auszugehen, war Gefahr im Verzug, d.h. die Menschen hätten durch das CO2 bewußtlos werden und sterben können.

Mit Kohlenmonoxid ist es nicht ganz so einfach, da man sich auf den vorauseilenden Tod eines Haustiers sicher nicht verlassen will, und da CO ein geruchloses und unsichtbares Gas ist und man dessen gefährlicher Konzentration regelmäßig erst dann gewahr wird, wenn es bereits zu spät ist, d.h. man sich u.U. nicht mehr aus eigener Kraft aus dem Gefahrenbereich retten kann.

Daher gibt es Kohlenmonoxid-Warnmelder bzw. kombinierte Rauch- und CO-Melder.

Diese sollte man u.U. an strategisch wichtigen Stellen einsetzen, etwa an der in Beispiel 1 genannten Küche mit nachträglich eingebauter Gastherme.

Die Geschichte in Beispiel 1 ist auch noch aus einem weiteren Grund lehrreich: eigentlich hätte die Gastherme im vorliegenden Fall so gar nicht installiert werden dürfen, bzw. wäre vom Schornsteinfeger so gar nicht beanstandungslos abgenommen worden.

Da aber zum Zeitpunkt der Installation der Gesamtraum großzügig genug bemessen war, auch die Fenster nicht zugdicht waren und zudem die Türen vom Wohnraum zum Flur etc. nicht dicht, sondern eben Altbautüren mit großzügiger Fuge zwischen Tür und Schwelle waren, gab es keinen Anlaß, weitere Auflagen bezüglich Zwangslüftung zu machen. Die Situation verschärfte sich erstmals mit dem Einbau dichter Doppelglasfenster, aber auch dann waren mangels Tür zum Wohnbereich die 180 cbm ausreichend für die Luftzufuhr. Daß irgendwann eine (relativ dichte) Tür zur Küche eingebaut werden würde, war ja nicht absehbar. Diese Tür hätte aber, wäre sie von Anfang an vorhanden gewesen, mit einem nicht verschließbaren Lüftungsgitter versehen werden müssen.


3.) Erste-Hilfe und Rettungsmaßnahmen bei (Verdacht auf) Kohlenmonoxid-Vergiftung


Zu Erste Hilfe-Maßnahmen hatte ich ja bereits ausführliche Literatur beigesteuert (vgl. auch 'Reisemedizin'), vgl. z.B.

- Erste Hilfe: Bei Erkrankungen, Unfällen und Vergiftungen

- Vergiftungen (Rettungsdienst kompakt) und z.B.

- Notarzt Karten-Set - Herzrhythmusstörungen, Notfallmedikamente, Beatmung - Oxygenierungs-Störungen, EKG Auswertung

Da das Kohlenmonoxid wesentlich stärker an das Hämoglobin-Molekül bindet, als der normale Luftsauerstoff, der in der normalen Atemluft zu ca. 21% vorkommt, ist eine sonst übliche Mund-zu-Mund-Beatmung zwar nicht falsch, aber in der Ausatem-Luft sind sogar nur noch ca. 17% Sauerstoff vorhanden. Dies genügt zwar, um einen Bewußtlosen u.U. wiederzubeleben, dessen eigenständige Atmung zum Erliegen gekommen ist oder der durch Ertrinken o.ä. erstickungsgefährdet war, aber es genügt eben nicht (sonst hätte das normale Atmen ja ausgereicht), um das bereits im Übermaß an Hämoglobin gebundene CO zu verdrängen.

Hierzu muß mt reinem Sauerstoff beatmet werden, wenn er zur Verfügung steht. Natürlich hat der Ersthelfer sowas i.d.R. nicht zur Hand, zumal reiner Sauerstoff gefährlich ist und der Umgang mit Sauerstofflaschen gelernt sein will. Jedoch, Not kennt kein Gebot. Am ehesten noch findet man 'in der Nachbarschaft' eines möglichen Unfallortes jemanden, der ein Autogenschweißgerät besitzt, etwa den Panzerknacker, Dorfschmied oder einen Automechaniker. Dieses führt zwangsweise eine Acetylen- und eine großvolumige Sauerstofflasche mit sich, mit der man 'Tote aufwecken' könnte - allein, es fehlt der für menschliche Beatmung passende Druckregulator. Wer den Sauerstoff daraus zu beherzt der Lunge des Patienten zuführt, der wird diese sofort zum Platzen bringen, hier ist also äußerste Vorsicht geboten und Einfallsreichtum gefragt (Druckminderer auf kleinste Stufe o.ä., evtl. Sauerstoffdüse vor die Nase halten und Herz-Lungen-Wiederbelebung anwenden). Zudem ist das Rauchen und jegliche heiße Fläche oder gar offene Feuerstelle zu meiden. Aber bevor die üblichen acht Minuten vergehen, nach denen der Rettungsdienst eintrifft und in welcher Zeit der Patient entweder endgültig tot oder aufgrund des Sauerstoffmangels dessen Hirn irreparabel geschädigt ist, sollte man sich dennoch an solche Verzweiflungsmaßnahmen heranwagen. Eine Empfehlung kann so etwas natürlich nicht sein, und Haftung übernimmt der Autor schon gleich gar nicht. Aber ein Ersthelfer riskiert eher wegen unterlassener Hilfeleistung verfolgt zu werden, als wegen unsachgemäßer, aber gutgemeinter Wiederbelebungsversuche an einem ansonsten hoffnungslosen Fall. Es ist jedenfalls keine Zeit zu verlieren.

Am besten natürlich wäre es, wenn aufgrund der oben in Teil 1 genannten Beispiele die Menschen im Umgang mit sauerstoffzehrenden Verbrennungsvorgängen etwas sensibilisiert und dadurch umsichtiger würden und man auch auf die ersten Anzeichen einer Kohlenmonoxid-Vergiftung achten lernt.

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Literatur-/Produkthinweise. Alle Angaben ohne Gewähr! - Leserzuschriften


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