Trumps Milchmädchenrechnungen summieren sich auf und beruhen auf sowohl ökonomischer wie juristischer Unkenntnis ...

Literaturhinweis, Mittwoch, 25.01.2017, 03:56 (vor 2865 Tagen) @ Morpheus10567 Views

... die Donald J. Trump aber teilweise mit anderen Präsidenten teilt. Obama war zwar Jurist, aber ökonomisch und rhetorisch eine Null. Der jüngere Bush war alles dreie, der kalifornische Gouverneur Schwarzenegger auch, konnte aber gut Ronald Reagans Leutseligkeit nachahmen. Clinton wiederum war juristisch ausgebildet und rhetorisch geschickter, hielt seinen Aufschwung und den damit möglich gewordenden Haushaltsausgleich aber für seinem ökonomischen Geschick geschuldet, nicht etwa einem zufällig für ihn günstigen Wirtschaftszyklus und dem Internet-Boom (Dotcom-Blase und Greenspan-Inflation).

So zieht sich das aber weltweit durch die höheren politischen Kreise. Man fordert zwar ab und an Elternführerscheine, bevor jemand ein Kind erlaubt werden sollte, aber niemand fordert bisher, daß ein Regierender die Regierungskunst erlernt oder wenigstens verstanden haben müsse (und in der Türkei, wo das Präsidentenamt nur an Universitätsgebildete gehen soll, kann man auch das fälschen). Es ist 'learning by doing' und da in komplexen Systemen sich kaum Wirkungen zu Ursachen zuordnen lassen, es sei denn, man verfügte bereits vorab über eine stabile Theorie dieser Beziehungen, ist innerhalb der üblicherweise vier bis zehn Jahre Regierungszeit auch nicht zu erwarten, daß da einer gescheit was lernen könnte.

Zu Trumps wirtschaftspolitischen Aussagen kann man nur sagen, daß er versucht, eine Variable zu seinem Vorteil zu beeinflussen, und dabei vergißt, daß es weitere Variablen gibt, die sich dann in eine andere, evtl. ungünstige Richtung ändern (müssen).

Nehmen wir an, ein Präsident tritt an mit der Botschaft 'hier ist es zu kalt, ich verspreche Euch, ich werde die Heizung aufdrehen!' Die Mehrheit wählt ihn, er dreht tatsächlich die Heizung auf, alle nicken bedächtig und sagen: 'Der hat's drauf!' - nur, irgendwann ist dann entweder der Öltank der Heizung leer oder die Heizkosten steigen jedenfalls dramatisch; Geld, das dann woanders fehlt. Besonders als Wohltäter und nachahmenswertes Beispiel wird ein solcher Majordomus aber ausgerechnet auch noch immer dann gehandelt, wenn er es schafft, daß in seiner Amtsperiode zwar gut geheizt bleibt, aber der Tank erst beim Nachfolger zur Neige geht.

Dann geht in der Vulgär-Politikwissenschaft das Orakeln los: dieser Vorgänger war gut, der Nachfolger (der einfach nur die Altlasten geerbt hat) war schlecht. Folglich muß man, will man sich in einem zukünftigen Wahlkampf Chancen ausrechnen, ein Programm verkünden, wie damals der Kandidat, der die Heizung aufdrehte, ohne sich lange mit den Folgen aufzuhalten; so argumenrtiert auch 'Nobel'preisträger Krugmann laufend. Anders also, als in der Evolutionstheorie, wo das Tier, das unökonomisch 'wirtschaftet', vom Aussterben bedroht ist, kommt in einer 'Demokratie', in der die Amtszeiten entweder gesetzlich beschränkt sind bzw. dadurch beschränkt sind, daß Kandidaten meist nicht in jungen Jahren gewählt werden und also durch Tod oder Gebrechlichkeit ausscheiden, u.U. es zu einer Auswahl der Schaumschläger und Selbstdarsteller, anstatt derer, die wirklich funktionierende Lösungen erproben könnten. Diese letzteren werden entweder nicht gewählt oder haben sonst das Pech, daß sie genau dann an die Macht kommen, wenn der Laden bereits komplett vor die Wand gefahren ist, so daß man ihnen ausgerechnet dann noch die wirtschaftlichen Abschwünge anlastet. Ich hatte das ja am Beispiel Herbert Hoovers beschrieben. Trump könnte es ähnlich gehen, nur mit dem Unterschied, daß er zusätzlich auch noch mit einem, gelinde gesagt, gewagten wirtschaftspolitischen Programm antritt.

Nehmen wir nur zwei seiner angekündigten Maßnahmen:

a) den wirtschaftlichen Protektionismus, wie schon angeklungen, und

b) die Wiederabschaffung von Obamas Gesundheits'reform' Affordable Care Act.

a) Wirtschaft/Schutzzölle: Wie immer ist es so, daß Zölle grundsätzlich zu wirtschaftlichen Verwerfungen führen und grundsätzlich immer zu Verlusten für die Konsumenten führen (müssen) - wie Steuern überhaupt. Das ist in der EU so mit ihrer restriktiven Einfuhrpolitik für Agrarprodukte bei gleichzeitig hirnrissiger binnenmarktlicher Subventionierung, das ist in USA bei Weizen und Soja ähnlich und warum sollte es bei Autos anders sein?

Es gab schon vor Jahren, nach dem Platzen der subprime-Immobilienblase, in USA eine von den großen Autobauern veranstaltete Demonstration für Zölle auf Importautos. Die Automobilarbeiter erhielten frei, damit sie an der Demo teilnehmen und reisten massenweise mit ihren Autos an. Was ihre Arbeitgeber nicht bedacht hatten: die Mehrheit der zur Demonstration angereisten Auto-Arbeiter fuhren ausländische, vor allem japanische Wagen. Und warum? Weil diese, trotz der Importkosten, billiger und von der Qualität her besser waren, als die einheimischen Produkte, für deren Protektion sie demonstrieren sollten. Was wäre nun passiert, hätten sie die Möglichkeit nicht gehabt, solche 'billigeren' Autos zu kaufen? Sie hätten weniger Geld in ihrer Haushaltskasse gehabt, evtl. hätte der eine oder andere oder deren Familienmitglieder sich gar kein Auto leisten können, und wären damit am Arbeitsmarkt nicht so flexibel gewesen. Folge: weitere Einkommenseinbußen, noch weniger Bruttosozialprodukt. Der eine oder andere hätte dann seine Kinder nicht aufs College schicken können, Folge: auch deren Qualifikation und damit späteres Familieneinkommen wäre niedriger ausgefallen, Folge: weniger Apple- und Intel-Produkte wären gekauft worden.

Solche Zollschranken gehen immer nach hinten los, aber, je nachdem, welche Wählerschichten sie, zumindest vorübergehend, begünstigen, sieht es nach Erfolg und Wiederwahl aus. Hier sieht man also: Trump ist kein Ökonom.

b) Obamacare/Krankenversicherung: Trump hat im Wahlkampf erzählt, er wolle den Markt für Krankenkassen öffnen, damit diese US-weit anbieten könnten. Kritiker und Spötter haben dagegengehalten, daß er keine Ahnung habe, das sei doch längst der Fall. Ja, natürlich, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Da praktisch jeder Bundesstaat der USA eigene Regeln erlassen hat, was ein Krankenversicherer darf und was nicht, und vor allem, was er muß, gibt es praktisch keinen Krankenkassentarif-Vertrag, der mehr als einen Bundesstaat umfaßt, egal, wie er genannt wird (d.h. auch dann nicht, wenn er in zwei Staaten unter der gleichen Bezeichnung vertrieben wird). D.h. jeder wird für sich kalkuliert, eine Risikostreuung kann so kaum erfolgen. Das ist auch der Grund, warum sich mit Beginn von Obamas Zwangsversicherung mehr und mehr Versicherungen aus mehr und mehr US-Bundesstaaten zurückgezogen haben. Wenn ein bundeseinheitlicher Tarifverband erlaubt wäre, hätten die Versicherer ja genau das Gegenteil gemacht. Was Trump also meinte, auch wenn er es mißverständlich ausgedrückt haben mag, ist, daß er diese Beschränkungen aufheben möchte. Das wird er aber nicht können, denn diese Versicherungs-Ausgestaltung fällt nach der US-Verfassung eben unter die Regelungsspanne der einzelnen Bundesstaaten. Hier sieht man: Trump ist kein Jurist.

Natürlich kann man über eine Verfassungsänderung nachdenken. Diese ist aber kaum durchführbar. Die bisherigen Amendments haben meist Dinge zum Gegenstand gehabt, die sich auf Bundesebene abändern ließen, für die also die Federation die Gesetzgebungs- und damit auch die Verfassungsänderungskompetenz hatte. Hier, in Fragen der Krankenversicherung, müßten die betroffenen Staaten aber zustimmen und ihre Rechte beschneiden lassen; bei der derzeit zersplitterten Parteienlandschaft ist sehr unwahrscheinlich, daß je ein Präsident in absehbarer Zeit eine solch tiefgreifende Verfassungsreform (inkl. Verfassungsänderungen in allen betroffenen Bundesstaaten) wird auch nur anregen können, geschweige denn zu einem Ende bringen, das dann überhaupt den gewünschten Effekt verbürgte.

Hier übersieht Trump das Entscheidende: "The Art of the Deal", seine Bibel der Verhandlungskunst, nützt nur dort etwas, wo es, wie in der Privatwirtschaft unter Lieferant und Kunde, um zwei Entitäten mit Privatautonomie geht, die ihre Rechte gegenseitig abtreten können, wenn ihnen dafür etwas anderes, aus ihrer Sicht gleichwertiges, geboten wird. So kann z.B. ein Zulieferer von Apple sich verpflichten, bestimmte Komponenten fürs iPhone exklusiv nur für Apple herzustellen und nur an Apple zu liefern und damit auf Geschäft mit weiteren Abnehmern zu verzichten. Dafür wird dieser Zulieferer sich von Apple zusichern lassen, daß Apple über z.B. die nächsten drei Jahre mindestens x Einheiten zum Preis von y abnimmt. Beide Seiten also geben in einem Geben-und-Nehmen-Prozeß etwas, an dem der andere ein solches interesse hat, daß er sich freiwillig darauf einläßt. Im Verfassungs- und Haushaltsrecht eines Staates geht das aber so nicht. Das machte im Wahlkampf ja den Charme und Zuspruch des Kandidaten Trump aus (ähnlich seinem Vorgänger Ross Perot), daß er Dinge versprach, die jeder Nicht-Jurist und Nicht-Ökonom als durchaus wünschenswert, logisch und für durchführbar erachtet. Er selbst wiederum schwamm auf dieser Welle des Erfolges und Zuspruches. Nun wird er feststellen müssen, daß vieles von dem, was er versprochen hat, entweder gegen Natur- oder juristische Gesetze verstößt, von denen ohnehin nur letztere zu ändern sind, aber eben nur mit Mehrheiten, die auch ein Trump nicht zusammenbringt.

Gekoppelt mit einem absehbaren Börseneinbruch und wirtschaftlichen Wiederabschwung könnte er den 'geborenen' Buhmann abgeben. Es sei denn, China beschert ihm ein Pearl Harbor.

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