Ergänzend noch zu einer Leserzuschrift zu weiteren Klagemöglichkeiten

Literaturhinweis, Mittwoch, 11.01.2017, 17:08 (vor 2872 Tagen) @ Ötzi9084 Views
bearbeitet von unbekannt, Sonntag, 15.01.2017, 02:29

Auch wenn ich auf Leserzuschriften generell (so) nicht eingehe, hier eine seltene Ausnahme, weil der Rundfunkbeitrag jeden Haushalt betrifft, es also kein Einzelproblem ist wie in den meisten Leserzuschriften.

Natürlich dürfte auswandern oder vor den Landtagswahlen das Gehirn einzuschalten helfen, aber wer wird das schon tun?

Jeder, der den Druck so unterträglich findet, wie mancher verkündet. Anscheinend ist es doch noch nicht so schlimm.

Die richtige Herangehensweise sollte sein, erst per Feststellungsklage feststellen zu lassen, daß die öffentlich-rechtlichen Sender ihre vertraglich festgelegten Leistungen nicht erbringen.

Ich bezweifle, daß man das mit einer Feststellungklage überhaupt kann. Feststellungsklagen sind in der Systematik des Verwaltungsrechtsweges dazu da, das 'Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Rechtsverhältnisses' klären zu lassen, z.B. könnte das sein, feststellen zu lassen, ob man 'Deutscher im Sinne des Grundgesetzes' sei, wenn es dafür ein Feststellungsinteresse gibt.

Da die Rundfunkgebühr eine öffentliche Abgabe ist, gefährlich nahe an einer Steuer, für die den Ländern eine (bundesweit einheitliche) Rechtsetzungskompetenz fehlen würde, hieße das, um es abzukürzen, 'Feststellungsklage' zu erheben, daß die bundesdeutschen Autobahnen in so erbärmlichem Zustand seien, daß die Verkehrswegebehörden ihre Aufgaben nicht erfüllten und man daher die KFZ-Steuer verweigern könne oder in der Gemeinde die Anliegerbeiträge, weil einem die Höhe des Bordsteines nicht paßt. No chance.

(Leider könnte ich mir schon den Anwalt dafür nicht leisten.)

Die Frage wäre, ob er sich dafür überhaupt hergeben würde, denn standesrechtlich ist das eine verfängliche Sache, wenn ein Anwalt mit 'Befähigung zum Richteramt' eine Klage einreichte, der er eine Erfolgsaussicht aufgrund rechtssystematischer oder verfahrensrechtlicher Überlegungen direkt und vollständig absprechen müßte (in USA gibt es den Begriff der mutwilligen [frivolous] Rechtsverfolgung, die extra bestraft werden kann, vgl. auch die Mißbrauchsgebühr bei Verfassungsgerichtsbeschwerden). Daß es solche Anwälte gibt, wenn Gebühren winken, mag sein, aber, wie hier geschildert, die Gebühren selbst bei einer zulässigen Rechtssache in Sachen Rundfunkgebühren können prohibitiv hoch sein (und hier bin ich mir nicht mal sicher, ob der Anwalt mit den 190 Euro oder mit über 3.000 Euro nicht der bessere war; der Schuhmacher, der die Schuhe billiger flickt, ist ja auch nicht unbedingt der bessere).

Sich auf das Urteil berufend wäre dann bei der Landesrundfunkanstalt Schadenersatz für die gezahlten Gebühren geltend zu machen.

Schadenersatz schon gleich gar nicht, höchstens Rückgewähr. Aber: da der Haushaltsbeitrag eine gesetzlich verordnete Folge der Haushaltseigenschaft ist (LG Tübingen: nur 0,03% sind wohnsitzlos und selbst die könnten polizeilich in Wohnungen eingewiesen werden), hat der nichts, siehe KFZ-Steuern und Straßenzustand, nichts mit der Frage der (subjektiv empfundenen) Rundfunk-Qualität zu tun. Wie wollte man die überhaupt 'messen'? Und warum scheinen gut und gerne 80% der Bevölkerung 'zufrieden'? Bloß, weil die Unzufriedenen lauter sind, sind sie ja nicht auch nur annähernd die Mehrheit. Und wären sie es, wäre der Beitrag ja nie beschlossen worden, denn kein Politiker hätte sich getraut, hätte er doch um sein Mandat gebangt.

Weil die sicherlich so sehr wie manche ihrer Opfer Zahlungsverweigerer sein wird, muß der Schadenersatz dann wiederum über den Gerichtsweg eingefordert werden.

Welcher Schaden? Gehörschaden? Da gibt es Lautstärkeregler. Gehirnschaden? Noch nie nachgewiesen. Digitale Demenz? Ja, aber dann doch durch Anschauen nicht-öffentlich-rechtlicher Inhalte genauso. Das ist ja ähnlich wie bei der Beantragung von Frührente wegen beruflich bedingter Lärmschwerhörigkeit - heute kaum noch durchsetzbar, gehen die Leute doch in der Disco freiwillig ein wesentlich höheres Lärmrisiko ein als an jedem berufsgenossenschaftlich und gewerbeaufsichtlich überwachten deutschen Arbeitsplatz und wenn nicht Disco, dann mit iPod und Ohrstöpseln, daß man die Musik in der Straßenbahn über zwei Waggons hinweg hört.

Leider ist nicht davon auszugehen, daß deutsche Gerichte dabei nach Recht und Gesetz urteilen würden,

Bei der bisherigen Rechtsprechung, siehe Landgericht Tübingen, siehe Verfassungsgerichtshof in Koblenz, siehe in etwas anders gelagerten Fällen Bundesverfassungsgericht, kann ich nur konstatieren, daß die Richter(innen) sich sehr eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt haben, inkl. Kritik daran. Jedoch sind sie "Recht und Gesetz" unterworfen, d.h. die Bürger haben entschieden, in einer 'repräsentativen' Demokratie, daß sie genau diese Gesetze auf den Leib geschneidert bekommen wollten.

schließlich ist den Richtern klar, von wem sie ernannt wurden.

Nur nicht in Tübingen? Nur nicht in Hamburg (Fall Walter Jens und Mutlangen-Besetzung NATO-Doppelbeschluß)? Nur nicht im Wiederaufnahmeverfahren Gustl Mollath? Nur nicht bei der Ungültigerklärung des Volkszählungsgesetzes 1983? Bei der 'Soldaten-sind-Mörder'-Entscheidung? In der SPIEGEL-Affäre 1962? Nachdem sie ernannt wurden, sind sie unabhängig. Die, die sie ernannten, hat, s.o., das Volk ernannt. Also: das Volk hat diese Richter ernannt! Das Volk! Aber das würde ja politisches Engagement bedeuten, da kann man nicht abends vor'm schlechten Fernseh'n sitzen, da müßte man abends von Tür zu Tür gehen und Mitstreiter suchen, aufklären, Treffen abhalten, Geld in die Hand nehmen, bei Wind und Wetter Plakate auf- und wieder abhängen usw.

Aber es gibt einige Staaten, deren Gerichte für alle Länder der Welt Recht sprechen.

Nein. Der 'Foreign Tort Act' in USA greift auch nur, wenn die ausländische Gerichtsbarkeit nicht existiert (Somalia?), ähnlicher Fall wie bei der Subsidiarität des Internationalen Strafgerichtshofes. Alles andere sind Behauptungen nicht-juristischer Spinner im Internet.

Vom Amiland ist das sehr bekannt und da hat schon mancher Deutsche mit viel größeren Erfolgsaussichten gegen deutsche Behörden geklagt,

Beispiele?

Spanien wurde vor wenigen Jahren zur Einstellung der entsprechenden Praxis gezwungen,

Gerichtsentscheidung? Link? Aktenzeichen? Sachverhalt?

von weiteren Ländern weiß ich es leider nicht.

Ich bezweifle auch bereits die vorgenannten Fälle. Etwas anderes sind z.B. Sammelklagen, etwa gegen VW - da geht es aber gerade darum, daß ebendiese VW-Fahrzeuge auch in den USA vertrieben wurden und VW sich der US-Jurisdiktion, allein schon durch Eröffnen von Filialen, unterworfen hatte. Bei Landesrundfunkanstalten kann das nicht angehen, das wäre eine Einmischung in die staatsrechtliche Souveränität (doch, die gibt's auch für Deutschland, sonst könnte jeder Unzufriedene gleich in USA klagen - passiert aber nie).

Natürlich wäre es sinnvoll, den Klageweg von Anfang an in einem objektiver urteilendem Land (also einem das Gebühren wie die deutsche Haushaltsabgabe nicht kennt) zu beschreiten.

Nochmal: in Deutschland, siehe LG Tübingen, ist an um Objektivität bemühten Richtern kein Mangel, wohl aber an Bürgern mit Rückgrat, die sie auf demokratischem Wege davor bewahren, Urteile anhand von Rechtsvorschriften erlassen zu müssen, die ihnen u.U. eine schwere Gewissensbürde sind.

Würdest du zustimmen, daß das der erfolgversprechendste Weg ist?

Gerade nein.

Kennst du weitere Staaten, in denen man die Klage einreichen könnte?

Es muß die örtliche und dann die sachliche Zuständigkeit gegeben sein. Wer als Tübinger schon nicht vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg klagen kann, der kann schon erst recht nicht vor einem US-Gericht klagen, oder?

Vielleicht geht es sogar unproblematisch innerhalb der EU?

Wenn (wenn!) der Rechtsweg erschöpft ist (Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht, Bundesverwaltungsgericht, evtl. Bundesverfassungsgericht bzw. Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht oder Bundesgerichtshof in Vollstreckungssachen durch Gerichtsvollzieher) dann kann u.U. die weitere Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof oder zum Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gegeben sein. Aber nur, weil es dafür Verträge gibt, mit denen die Bundesrepublik sich deren Jurisdiktion angeschlossen/unterworfen hat. Die USA haben da nichts zu suchen.

Das natürlich hauptsächlich, um die teueren Reisen ins Amiland einzusparen, aber falls es Betroffene gibt, die regelmäßig ins Amiland reisen, dann wäre das vielleicht sogar am aussichtsreichsten?

Es fehlen jegliche Nachweise, s.o., daß das (in vergleichbaren Fällen) jemals auch nur zur Entscheidung in USA angenommen worden wäre. Ich vermute, das verbreiten wieder dieselben Spinner, die derzeit wegen der Malta-Masche langjährigen Gefängnisstrafen entgegensehen?

Nun beende ich aber das Thema Rundfunkgebühren, es ist alles gesagt. Wer wirklich was tun will, muß es entweder über eine wirksame politische Beteiligung tun (Wahlen etc.) oder auf dem Rechtsweg, in den Rechtsmittelinstanzen stets mit Anwaltszwang, Ausnahme nicht-mündliche Verfahren beim Bundesverfassungsgericht. Vielleicht schafft es einer auch, einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule für den Fall zu interessieren, der darf vor jedem deutschen Gericht auch ohne Anwaltszulassung auftreten und er ist an keine Gebührenordnung gebunden.

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