Eis und Schnee in Griechenland - so kalt war es seit Menschengedenken nicht mehr. Ein paar Eindrücke von vor Ort (+edit)
Moin,
seit knapp einer Woche ist Griechenland fest im Griff von Schnee und Eis (ja, ja, bei Euch heißt das Winter, ich weiß, aber hier ist weder Infrastruktur noch Vegetation drauf eingerichtet). Während der Großteil des Landes "nur" leichte Minusgrade und dafür aber teilweise meterhohen Schnee hat (nein, nicht nur in den Bergen, auf der Sporadeninsel Skopelos und auf dem vorgelagerten Evia liegen zwei Meter!), haben wir hier in Thessaloniki eisige Minusgrade von -10 (tagsüber maximal minus 6, nur heute leicht darüber) und dazu einen konstanten eisigen Nordwind von mindestens fünf, im Durchschnitt 6 und in Spitzen 8 Beaufort. Ohne Unterlass. Das macht gefühlte minus 18.
(Für mehr Infos, was im Rest Griechenlands los ist, bei Interesse bitte selbst googlen, da kann ich auch nur "aus der Zeitung" berichten - es ist allerdings offenbar chaotisch, viele Dörfer sind komplett von der Außenwelt abgeschnitten).
Die Häuser sind sowieso nicht so gut isoliert, die Fenster eher auf den Sommer konzipiert. So treibt der Wind die Kälte in jede Ritze. Hier in und um Saloniki hatten als allererstes diejenigen verloren, die mit Gas heizen: Die Leitungen waren wohl falsch konzipiert, sind zentral eingefroren, die Leute haben seit Samstag bereits keine Heizung mehr und kein Warmwasser. Das betrifft ca. ein Drittel aller Haushalte in Thessaloniki.
Ein zweites, riesengroßes Problem sind die Wasserleitungen. Hier draußen, in den Vororten hat quasi niemand mehr Wasser (in der Stadt sieht das offenbar anders aus). Alles eingefroren und geplatzt (auf den Straßen riesengroße, gefrorene Pfützen, auf geneigten Straßen gefrorene Wasserfälle). Und wenn ich sage "niemand" dann betrifft das immerhin auch noch mal ca. 80.000 Leute der Gesamtgemeinde hier. Wir haben Gott sei Danke eine Zisterne von 20.000 l (war eigentlich für die trockenen Sommermonate als Reserve, wer hätte an so ein Szenario gedacht?).
Die Schulen hätten gestern anfangen sollen - alle bleiben geschlossen. Keine Heizung, kein Wasser. Das betrifft ganz Griechenland.
Eigentlich hatten alle auf Donnerstag gehofft, da sollten die Temperaturen wieder über Null gehen (ich möchte mir die ganzen Fontänen aus den geplatzten Leitungen gar nicht vorstellen, die Wasserwerke werden dem kaum Herr werden können), aber seit gestern gibt es eine neue Unwetterwarnung.
Niemand, auch nicht die ältesten Griechen, können sich erinnern, so etwas je erlebt zu haben.
Gar nicht denken möchte ich an all die Menschen, die sowieso keine Heizung mehr haben (aus finanziellen Gründen) und/oder keinen Strom. Erwin Schrümpf von der Griechenlandhilfe hat auf facebook dazu was geschrieben. Bitte auch die Kommentare dazu lesen - es sind v.a. Leute die auch hier leben und berichten.
Auf Lesbos leben ca 8.000 Flüchtlinge in Zelten, die unter der Schneelast kaum zu sehen sind. Temperatur: Unter 8 minus. Wie viele Tote? Keine Ahnung, niemand schreibt drüber.
Und dann all die Tiere auf den Straßen. Gerade gestern sah ich einen Hund: Er leckte an einer gefrorenen Pfütze, er hatte Durst. Zu Fressen finden die alle nichts. Alles hart. Dabei diese Temperaturen und der Wind
Im Moment versuchen sich hier alle noch, gegenseitig zu helfen, wer es warm hat und vielleicht sogar Wasser (in der Stadt) beherbergt für die Nacht Freunde und Bekannte.
Hoffentlich ist das bald vorbei. Wasser ist nämlich schon lange ausverkauft. Und gestern las ich, dass das zentrale Kraftwerk des staatlichen Stromversorgers DEI in Ptolemaida wegen der dort ebenfalls extremen Wetterbedingungen (wer gucken will: liegt bei Kozani) die ersten Probleme meldet. Wird das schlimmer, geht in ganz Griechenland Licht und Heizung aus.
viele Grüße
Gaby
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"Das Dumme an Internetzitaten ist, dass man nie weiß, ob sie auch stimmen." Leonardo da Vinci