Wirkungsweise der Akupunktur aus Sicht der Schulmedizin

DerSuchende, Dienstag, 03.01.2017, 10:17 (vor 2880 Tagen) @ Vatapitta3319 Views

Lieber Vatapitta,

um erst einmal auf deine Frage zu antworten: Ich weiss es nicht, da ich nicht mit Akupunktur arbeite und nur am Rande damit Erfahrung gemacht habe.

Was ich aber erklären kann, ist die Wirkungsweise der Akupunktur nach schulmedizinischem Wissen. Um diesen Sachverhalt zu erläutern, müssen wir uns wieder unserem Nervensystem und dessen Arbeitsweise zuwenden. Grundlegend können wir davon ausgehen, dass auf jeden Reiz, den unser Körper erfährt, eine Antwort von unserem Gehirn generiert wird. Damit ein Reiz von der Peripherie -Extero- oder Enterozeption- (z.B. Haut, Muskel, Sehne, Gelenke und Organe) zum Gehirn und vom Gehirn zurück in die Peripherie gelangen kann, bedarf es wieder der Nerven. Es gibt afferente (zum Gehrin), aufsteigende Bahnen, welche die verschiedenen Sinnesqualitäten (Schmerz, Temperatur, Berührungsempfinden, Vibration, Stellung der Gelenke, etc…) zum Gehirn leiten. Hier, im Encephalon, wird – wie beim Schmerz – Wahrgenommen. Der grösste Teil unserer Wahrnehmung erfolgt unbewusst und nur ein kleiner Teil geschieht bewusst (Thalamus filtert), d.h. nur einen Ausschnitt unserer Sinneswahrnehmungen nehmen wir bewusst wahr und können willentlich eine Antwort generieren. Die Antwort (bewusst oder unbewusst) unseres Reizverarbeitenden Systems (Gehirn), wird über efferente (vom Gehirn weg), absteigende Nervenbahne gesendet und enthält immer eine Anpassung auf den jeweiligen verarbeiteten Reiz. Wir haben es in der Reizverarbeitung mit einen kybernetischen Kreislauf zu tun, der in unserem Körper tausendfach existiert. Je nachdem, was für Reize verarbeitet werden, wird dies in einer spezifischen Region unseres Gehirns vorgenommen.

Was passiert nun, wenn ich eine Akupunkturnadel in ein beschriebenes Meridiangebiet steche?

Abhängig von der Lokalisation ergibt sich ein hohes Mass an Rezeptoren (z.B. Gesicht, Ohr = N. trigeminus) oder ein geringes Mass an Rezeptoren (z.B. beidseitig der Wirbelsäule = R. dorsalis des jeweiligen aus der Wirbelsäule austretenden, spinalen Nerves). Die Nadelspitze reizt Rezeptoren unter der Haut und generiert damit zusätzliche «Information». Diese Information wird über die afferenten Nervenbahnen zum Encephalon geleitet, welches wiederum über efferente Nervenbahnen eine Antwort, Anpassung oder Regulation sendet. Allgemein kann die Schulmedizin, den Verlauf der Meridiane in der Akupunktur, anhand der Anatomie nicht erklären, wobei z.T. Überlappungen mit Innervationsgebieten der jeweiligen innervierenden (versorgenden Nervenstruktur) bestehen. Aber es handelt sich ja auch um einen komplett anderen Ansatz, als in der Schulmedizin.

Ebenfalls gibt es neben der Akupunktur andere Behandlungsmethoden, die Ähnlichkeiten und Übereinstimmung mit der Akupunktur haben. Um diejenigen Aufzuzählen, welche ich kenne: Neurolymphatische Druckpunkte (nach Chapman), Weiher`schen Druckpunkte (nach Dr. Weiher) und Tenderpoints (nach Jones)/ Triggerpunkte (nach Travell und Simons)

Ich konnte bei einer Patientin bei extremsten Schmerzen durch eine Arthritis des Hüftgelenkes - zentral wirksame Medikamente brachten keine Hilfe mehr - mittels Ohrakupunktur die Schmerzen deutlich lindern. So hatte sie bis zur unvermeidlichen OP Erleichterung.

Das Problem der zentral (Wahrnehmung und Bewusstseinsgrad) wirkenden Analgetika ist, dass diese sich auf die Vitalfunktionen der Patienten negativ auswirken. Die Patienten werden schläfrig und können bzw. dürfen z.B. nicht mehr Autofahren. Bei einer hohen Dosierung müssen die Patienten auch überwacht werden, wegen den Nebenwirkungen. Wäre für mich auch in diesem Fall auch die Frage, ob zentral wirkende Analgetika das Mittel der Wahl sind. Ich finde es super, wenn Schmerzen auch anders Behandelt werden können.

Wenn es schon Probleme gibt zentral wirksame Medikamente zu bekommen, dann stelle ich mir die Frage, ob es - kurzfristig greifbar- dort einen Schmerzarzt gibt.

Ja, dies sehe ich auch so und umso tragischer ist es für den Betroffenen, wenn es keine Hilfemöglichkeit bzw. Diagnosestellung gibt. Aber ich kenne auch nur das Versorgungssystem Deutschland / Schweiz. Für den Betroffenen bleibt nur die Hoffnung jemanden zu finden, der differenziert vorgehen kann (muss ja nicht immer ein Arzt sein). Das Problem ist oft, dass der Gesetzgeber aus guten Grund, nur den Ärzten die Behandlung gestattet, weil meines Erachtens die Ausbildung von Medizintherapeutischempersonal nicht gut genug ist. Ich arbeite selbst als Physiotherapeut und Osteopath und ärgere mich immer wieder über manche Kollegen, die unhaltbare Therapieangebote und Versprechen machen, was aber nicht heisst, dass diese Berufskollegen keine Erfolge haben.

Danke für deinen Beitrag. Ich habe noch Fragen zu einem anderen Thema: Depressionen - Antidepressive, Burnout, Infarkt der Seele und neuere Studien der Max Planckgesellschaft für Psychiatrie in München. Es würde mich freuen, wenn Du meine diesbezüglichen laienhaften Vorstellungen unter die Lupe nimmst und mir bei dem Verständnis der komplexen Vorgänge weiterhelfen kannst.

Dies ist sicherlich möglich, soweit mein Wissen ausreicht.

Viele Grüsse

DerSuchende

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