Wer ist eurer Meinung nach damals in Mesopotamien auf die Idee mit dem Silber gekommen?

Silke, Mittwoch, 17.04.2019, 16:20 (vor 2049 Tagen)8288 Views
bearbeitet von Silke, Mittwoch, 17.04.2019, 17:20

Eine Frage in das geschätzte Forum,

neben vielen anderen Wissenslücken habe ich das Henne-Ei-Problem mit dem Silber in Mesopotamien.
Der @wgn hatte den @dottore schon mal gelöchert, wer denn nun mit der Silberparität angefangen hat - die Herrscher (welche?) oder die Söldner (welche?).
Machttheoretisch müssen es die Herrscher gewesen sein.

- das mit der Paritäten-Findung zu Gerste Shekelstandard ->Silberstandard ist ja verständlich,
- das mit den Silbergewichten ebenso (gute Teilbarkeit in beliebige Einheiten)
- auch die sich ergebenden unterschiedlichen Zinshöhen 33,3 % für Gerste vs. 20 % für Silber (Census) und 100 % aufwärts (usura),
- die damit einhergehende entscheidende Eigenschaft von Geld - "kurant sein" kann sich nur so entwickeln wie auch beim Gold,
- dass sich das in potentiellen und praktizierenden Söldnerkreisen herumspricht (größte "Märkte" dieser Zeit), was man wofür wo anbieten kann (Kriegsdienst gegen Silber bei diesem oder Gold bei jenem - einzige Goldmünze Ägyptens wurde zur Söldnerbeschaffung geprägt)
- dem @dottore sein Territorium A-B-C ist ja gut nachvollziehbar. Herrscher zahlt in A Sold in kurantem Silber, Söldner bekommt dafür in B alles was sein Herz begehrt weil die Bevölkerung in B tributpflichtig (Silber oder Naturalien) vom Herrscher in A (mit Gefolgschaft + Söldner) gemacht wurde und sich das in B nicht abbaubare Abgabemittel (Mesopotamien = Schwemmland ohne Erze) zum jeweiligen Termin verschaffen muss usw.

Aber wer kam wie auf die Idee mit dem Silber, dass ja wohl erst einmal hauptsächlich bei der Bronzeproduktion abfällt.
Hammurapi hat in seinem Codex mit der Dekretierung von Silber gearbeitet.

Vor der Dekretierung muss man aber erst einmal darauf kommen, dieses als Abgabegut zu dekretieren.
- Die Söldner nehmen es dann dankbar an, weil es kurant ist (z.B. viel später Danegeld der Wikinger).
- Die Herrscher monopolisieren den Abbau dann und thesaurieren (wie die Perser) oder investieren/konsumieren (wie Alexander später)
- Die Bevölkerung muss sich dann nach dem einen (er ist nun einmal legitimierter Herrscher, der dekretieren kann = was, wie viel, wann, von wem) und dem anderen (Söldner hat das Silber=Sold das zum Abgabetermin von den Nichtsöldnern unbedingt gebraucht wird und auch noch die Waffe, mit der er dessen Eigentum verteidigen kann).

Aber wie kam es zu vor dem dann?

Habt ihr eine Erklärung, wer mit diesem Kreislauf wie anfing (andere haben ja erfolgreich ganz andere Mechanismen probiert bis hin zu den Quipu der Inka - nix Machtkreislauf mit kurantem Mittel sondern nur mit Naturalien).

Der @dottore hat dem @Wgn letztlich trotz ausführlicher und sehr schöner Texte nicht darauf geantwortet.

gestartet mit einer kleinen Anfrage...[[zwinker]]
(leider fehlplatziert als OT in einem Aktuelle-Kamera-Faden)[[sauer]]

Antwort von Centao:

Meine Spekulation - der Metallurge

verfasst von Centao, 17.04.2019, 13:37

Liebe Silke,

wir vergessen in unseren Theorien zur Entstehung von Machtkreisläufen, Abgabegut und Einführung von Handelsgut, gern die Wissensträger um das Metall/Keramik und Werkzeugbearbeitung/Herstellung. Es gibt keinen Machtkreislauf ohne die Kundigen.

"Aber wer kam wie auf die Idee mit dem Silber, dass ja wohl erst einmal hauptsächlich bei der Bronzeproduktion abfällt.
Hammurapi hat in seinem Codex mit der Dekretierung von Silber gearbeitet."

"Gold gab ich für Eisen".

Jedem Werkstoff-Kundingen ist es sofort klar. Die Auswahl des Abgabegut auf Edelmetalle aus Sicht des obersten Metallurgen/Druiden/Kundigen ist offensichtlich. Wer aber das Metallwissen beherrscht, beherrscht wesentliche Aspekte der Machtausübung.


Spekulation 2:
Ein weitere Aspekt ist ohnehin die Artefakt-Kultur nach dem Ende des Pleistozäns, die Metallfunde hinterlassen haben muss, weil die Metallkundigen noch Jäger & Sammler waren und lange Zeit mit dem Neanderthaler zu kämpfen hatte.

Viele Grüße,
CenTao
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Lieber Centao,
spontan würde ich erst einmal anzweifeln, dass die Neandertaler solche Monster gewesen sind, dass damals schon ein Überlebenskampf die Landschaft erschütterte.
Mit dieser Sichtweise habe ich mich noch nicht vertraut gemacht, zumal ich eher die phlegräischen Felder als Übeltäter für das Verschwinden der Neandertaler verdächtige (Frage ist nur wie gut die Zeit passt?), aber ja, kann ich ja einmal durchdenken.
Ich meine, richtig ernsthafte kriegerische Auseinandersetzungen kamen erst viel später bis auf die bekannten Fälle von Selbsthilfe in segmentären Gesellschaften (die Neandertaler waren Horden) wenn zu Blutrache und Blutfehde getrommelt werden musste weil in einem Segment nicht wieder gut zu machender Schaden durch ein anderes Segment entstanden ist (gehören ja alle zum gleichen Stamm) bzw. wenn es Ärger mit anderen Stämmen gab.
Viele, auch heute noch immer wieder entstehende Konfliktpotentiale in wenig zivilisatorisch verseuchten segmentären Gesellschften, werden per Vermittler und/oder Ritual/Ordal abgeführt.

Warum ich zweifle?
Ashitaka hat hier wiederholt den Gedanken eingeführt, dass unsere Ahnen so sehr damit beschäftigt waren, ihre Urschulden überhaupt bedienbar zu halten, dass sie sich so ein organisatorisch aufwändiges Phänomen weder vorfinanzieren noch leisten konnten.
Eine relativ banale Verletzung war schon ein sehr hohes Risiko für den Einzelnen und die Gemeinschaft. Die wurden vermieden, wenn es irgend ging und nicht provoziert, wie du es auch bei Hunderudeln findest - beschnüffeln, befummeln und bespielen geht vor bekriegen...wenn es nicht ans Territorium geht.

Und zu den Metallurgen:
in Çatal Höyük wurde Obsidian bearbeitet. Das mag schon eine gescheite Kunst sein so feine Speer- und Pfeilspitzen zu schlagen, wie letztere im Kupferaxteigentümer Ötzi gefunden wurde.

Der @dottore schrieb ja den Bergbewohnern rund um Mesopotamien die Metallurgie zu - Tadschikistan, Luristan usw., was ja auch stimmig ist, weil man dort früher oder später über das Erz stolpern muss, die Kupferoxid-Verfärbungen genau so interessant findet wie Lapislazuli und per Feuerumrandung aus erzhaltigem Material oder Ritualhandlung auch irgendwer mal die Metallkügelchen in der Asche gefunden haben dürfte und dann viel probierte, bevor er 1 und 1 zusammenzählen konnte.
Viel Bronze wurde ja dann auch Anfangs nicht mittels Legierung Kupfer-Zinn sondern Kupfer-Anderes (Arsen,Blei oder so) hergestellt.

Die Frage für mich bleibt aber:
Wie kann man etwas wie Silber, das bis auf die Gewichtsfunktion wertlos ist, kurant machen?
Genormte Silbergewichte und daran geeichte Steingewichte wurden ja gefunden.

Liebe Grüße
Silke


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